Sahnehäubchen: Roman
Nachricht auf seine Seite zu setzen. Ist doch viel praktischer als eine Homepage, denn auf die müssen die Leute extra raufgehen. Bei Facebook sieht es jeder User gleich auf seiner eigenen Startseite, wenn es etwas Neues von seinen Lieblingen gibt. Du glaubst gar nicht, was für einen unglaublichen Traffic Facebook erzeugt.«
Aha. User, Startseite, Traffic … Ich fühle mich auf einmal sehr alt. Aber wahrscheinlich ist Toms Idee wirklich gut, auch wenn Dwaine mit Sicherheit noch keine 90 000 Fans hat. Immerhin scheint sich mittlerweile rumzusprechen, dass seine Workshops einen hohen Unterhaltungswert haben. Die letzten beiden Abende waren mit jeweils über hundert Zuschauern sehr gut besucht, und für Drispenfeld, unserem heutigen Veranstaltungsort, rechnet der Buchhändler mit 150 zahlenden Gästen. Die Aula des örtlichen Schulzentrums dürfte also voll werden. Auch die Lokalpresse beachtet Dwaine langsam. In Drispenfeld hat er es sogar auf den Titel des Tagesanzeigers geschafft: Haltet eure Frauen fest – Verführungskünstler Dwaine F. Bosworth in Drispenfeld! Gut, der Spiegel war immer noch nicht dabei. Aber wir rollen das Feld eben von hinten auf.
Ich schaue mir die Fotos der Auftritte an, die Tom auf Dwaines Seite gestellt hat. Geschickt aufgenommen – das muss man schon sagen! Es sieht immer so aus, als ob der Saal knallvoll gewesen wäre. Darunter stehen die Kommentare von angeblichen Facebook-Freunden: Dwaine, du hast mir so geholfen! Und: Endlich weiß ich, was ich immer falsch gemacht habe! Oder, ganz schlicht: Du Gott! Wobei ich Letzteres doch arg übertrieben finde. Hat Tom diese Kommentare hinterlassen?
»Bleibt nur noch die Frage, wie wir unseren Star dazu kriegen, auch schön regelmäßig seine Seite zu pflegen«, denke ich laut nach. »Er müsste dann eigentlich jeden Tag etwas schreiben, oder?«
»Nee, nee, Chefin.« Tom verdreht die Augen. »Darauf verlassen wir uns lieber nicht. Ich mache das für Dwaine. Mittlerweile habe ich ihn sieben Mal live erlebt, und sein Buch kann ich auch fast auswendig – das sollte also kein Problem sein. Ein, zwei frauenfeindliche Sprüche am Tag werden mir schon einfallen.« Wir müssen beide grinsen, und ich will gerade noch ein bisschen ätzen, als ich aus den Augenwinkeln Dwaine sehe, der direkt auf uns zusteuert.
»Ah, mein Team bei der Arbeit! Ein schöner Anblick!« Es ist erstaunlich: Dwaine braucht wirklich nur einen Satz, um mich zu nerven. Vielleicht ist es aber auch ein beginnender Lagerkoller; wir touren nun schon seit zwei Wochen durch die Lande. Mittlerweile freue ich mich schon fast auf das nächste Wochenende in Hamburg, selbst wenn dort der Geburtstag meiner Schwester ansteht und sie ganz offensichtlich vorhat, ein kleines Familienfest auszurichten.
»Du hast recht, Dwaine, wir sind tatsächlich bei der Arbeit. Hast du denn nichts zu tun? Oder vorzubereiten? Immerhin haben wir heute Abend richtig viele Zuschauer – ich hoffe, du bist in Form.« Das klingt biestiger, als es sollte. Also wohl tatsächlich Lagerkoller. Dwaine bringt das allerdings nicht im Geringsten aus der Fassung.
»Ach, Nina, immer wenn du so kratzbürstig bist, weiß ich, dass du eigentlich verknallt in mich bist, es aber nicht zugeben kannst. Dann verbirgst du deine Gefühle hinter einer Wand. Schade, wir hätten bestimmt viel Spaß miteinander. Du bist schön und schlau – du wärst genau mein Typ.«
»Aber du mit Sicherheit nicht meiner!«, kanzle ich ihn ab.
Dwaine schüttelt den Kopf, dann greift er nach meiner Hand und hält sie fest. »Nina, Nina – ich weiß, dass ich dich noch kriege. Aber wehre dich ruhig. So ist es natürlich viel spannender. Du wirst mein Masterpiece. Gewissermaßen das Sahnehäubchen.«
»Mein lieber Dwaine«, entgegne ich kühl, »das Geheimnis eines erfolgreichen Schaumschlägers gerade im Umgang mit Sahne ist, dass er die ganze Sache nicht zu heiß werden lässt. Sonst wird es nichts mit der Schlagsahne. Die wird nämlich ruckzuck sauer.« Dann ziehe ich meine Hand zurück, springe von meinem Stuhl hoch und lasse ihn ohne ein weiteres Wort einfach stehen.
Nach einem ausgedehnten Spaziergang um den Drispenfelder See hat sich meine Laune wieder gebessert. Ich weiß, dass ich mich von einem Idioten wie Dwaine nicht provozieren lassen sollte. Am besten ist es doch immer, einen klaren Kopf zu behalten. Bosworth ist schließlich ein Kunde, und vielleicht ist dieser Job wirklich eine Chance auf sehr viel bessere Aufträge.
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