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Sahnehäubchen: Roman

Sahnehäubchen: Roman

Titel: Sahnehäubchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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Trotzdem nervt mich sein ständiges Gebagger.
    Ich beschließe, mir seinen heutigen Auftritt zu schenken. Die Jungs kriegen das mit Sicherheit auch ohne mich hin. Wahrscheinlich geht es mir besser, wenn ich mir mal einen Abend vor dem Fernseher inklusive einer schönen Pizza und einem Griff in die Minibar gönne. Genau, so wird’s gemacht!
    Vor dem Hoteleingang stolpere ich über Tom, der draußen steht und raucht.
    »Gott sei Dank – du bist noch da!«, begrüßt er mich erleichtert. »Ich hatte schon Angst, du schmeißt alles hin und fährst nach Hamburg zurück. Ohne mich! Und lässt mich hier mit dem Vollpfosten Dwaine allein!«
    Ich muss lächeln. »Tom, das würde ich dir doch niemals antun!« Außer heute Abend, versteht sich.
    »Puh! Da bin ich aber echt froh.« Das klingt nur ein ganz kleines bisschen ironisch. Für einen kurzen Moment bekommt meine Entschlossenheit Schlagseite, aber dann reiße ich mich zusammen und gestehe: »Allerdings werde ich heute Abend tatsächlich herzlos sein und dich mit Dwaine der aufgewühlten Drispenfelder Männerwelt allein zum Fraße vorwerfen. Ich brauche dringend eine Auszeit, sonst begehe ich einen Mord. Mit dem Buchhändler spreche ich noch kurz, dann gehe ich wieder ins Hotel. Auf Dwaine habe ich heute echt keinen Bock mehr.«
    Tom nickt. »Das kann ich verstehen. Ich meine, mich nervt er auch, aber er gräbt mich wenigstens nicht an. Das Einzige, was ich mir ständig von ihm anhören muss, sind unerbetene Tipps zum Umgang mit Frauen. Da kann ich aber ganz gut auf Durchzug stellen. Also bleib ruhig im Hotel, wir kriegen das auch ohne dich hin.« Ich merke, dass ich mich über seine Reaktion freue, und lächle ihn dankbar an.
    »Danke, Tom. Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann.«

    Herrlich, so ein Abend auf dem Sofa! Selbst wenn es nicht mein eigenes ist. Ich habe es mir in meiner Lieblings-Schlabber-Jogginghose bequem gemacht und trage ein überdimensionales Minni-Maus-T-Shirt, das ich vor vierzehn Jahren in Disneyland gekauft habe. Neben mir steht ein Schälchen mit Erdnüssen aus der Minibar, die bestellte Pizza Tonno war köstlich, und jetzt trinke ich noch ein schönes Glas Rotwein. Was zu meinem Glück noch fehlt, ist ein richtig schöner Liebesfilm à la Rosamunde Pilcher oder Pretty Woman.
    Ich zappe ein bisschen hin und her, aber in Sachen große Gefühle ist heute anscheinend leider Fehlanzeige. Zwei Talkshows, mehr oder weniger krawallig – nein, dafür bin ich heute zu harmoniebedürftig. Dann noch irgendein investigatives Politmagazin – auch nicht das Richtige. Nachrichten, ein Naturfilm, eine Quizsendung: Gibt es nicht irgendwo ein kleines bisschen Romantik? Ich schalte noch weiter hoch und lande bei den Regionalsendern. Nee, das interessiert mich erst recht nicht. Dann eben früh ins Bett, ist auch nicht das Verkehrteste.
    Gerade will ich ausschalten, da höre ich eine mir allzu bekannte Stimme: »Männer! Seid Löwen, keine Kater! Nur dann bekommt ihr, was euch zusteht! Und was steht euch zu? Richtig! Frauen! Nicht eine – nein, ihr könnt sie alle haben!«
    O. MEIN. GOTT.
    Dwaine ist im Fernsehen!
    Ich springe wie von der Tarantel gestochen vom Sofa und hechte zu dem Stuhl, auf dem ich meine Klamotten abgelegt habe. Ich muss in die Aula, und zwar sofort! Hektisch zerre ich die Strumpfhose aus dem Häufchen Wäsche hervor und ziehe am BH, der über der Stuhllehne hängt. Leider hängt er aber nicht nur über der Stuhllehne – einer seiner Träger liegt offensichtlich unter dem Boden der Flasche Rotwein, die auf dem Tisch neben dem Stuhl steht. Oder besser: stand. Denn jetzt liegt sie. Und zwar umgekippt auf dem Stuhl. Mist! Ein halber Liter spanischer Rioja ergießt sich über mein cremefarbenes Etuikleid und den dazu passenden Pullover. Das kann ich unmöglich noch anziehen – von der Optik mal ganz abgesehen, rieche ich darin wahrscheinlich wie drei Tage Kölner Karneval ohne Klamottenwechsel. Dann eben meine anthrazitfarbene Hose und eine Bluse. Ich öffne meinen Kleiderschrank und sehe: nichts. Keine Spur von dem Wäschesack, in dem ich beides für die Reinigung zu Hause verstaut hatte. Das darf doch wohl nicht wahr sein – wo sind meine Sachen? Habe ich sie vielleicht schon in den Koffer gelegt und bekomme langsam Alzheimer?
    Mit einem hellen Klack öffnen sich die Schnallen an meinem Trolley. Aber auch dort Fehlanzeige. Der weiße Plastikwäschesack bleibt verschwunden. Ich greife zum Hörer und rufe die Rezeption

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