Sahnehäubchen: Roman
sie sich mehr denkt. Bevor ich aber noch nachhaken kann, klingelt ihr Telefon. Sie nimmt den Anruf mit Lautsprecher an. Es ist Frau Smit vom Empfang.
»Frau Becelius, ich habe Herrn Weidner unterm Knöpfchen. Darf ich durchstellen?«
»Klar, machen Sie mal.« Es klickt kurz, dann hören wir die tiefe Stimme von Weidner senior.
»Ich grüße Sie, Frau Becelius.«
»Hallo Herr Weidner, ich sitze hier gerade mit meiner Projektleiterin Frau Seefeld und habe auf laut gestellt. Ist das in Ordnung?«
»Bestens! Dann kann ich auch gleich Frau Seefeld erzählen, wie begeistert wir hier alle sind. Sie haben, glaube ich, genau den richtigen Hebel gefunden, um unser Buch bekannt zu machen.«
»Danke, Herr Weidner. Das freut mich zu hören!«, erwidere ich höflich.
»Wir gehen jetzt schon in die dritte Auflage, das ist wirklich sehr erfreulich. Eine Frage am Rande – wie macht sich denn mein Sohn?« Bevor ich etwas sagen kann, mischt sich Susanne ein.
»Kein Grund zur Klage, Herr Weidner, so weit alles ganz gut. Den kriegen wir schon hin.«
»Dann bin ich beruhigt. Gut, die Damen, dann will ich auch nicht weiter bei der Arbeit stören. Einen schönen Tag noch!« Er legt auf.
»Warum sagst du ihm denn nicht, dass Tom sich sehr gut macht?«
»Ganz einfach: Ich möchte, dass uns der alte Weidner noch ein bisschen dankbar ist. Das ist bestimmt gut fürs Geschäft.«
Ich seufze. Susanne ist einfach der lebende Beweis dafür, dass man es mit Berechnung im Leben weit bringen kann.
Offenbar kann meine Chefin auch Gedanken lesen: »Also, bevor du nun noch Mitleid mit unserem armen Volontär bekommst, schlage ich vor, dass wir ihn gleich zum Mittagessen einladen. Dann werde ich ihn auch ausufernd loben, versprochen!«
»Na gut. Aber du zahlst.«
13. Kapitel
D as Gemeindezentrum von Üxleben im Westharz ist normalerweise wohl kein Ort überschäumender Lebensfreude, noch eine Stätte hysterischer Massenekstase. Der schlichte Zweckbau aus den mutmaßlich siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bietet mit seiner Mischung aus Waschbeton und Glasbausteinen vermutlich eher den beschaulichen Sitzungen von Gemeinderat und Schulausschuss eine Heimstatt.
Heute Abend aber ist das definitiv anders: Als ich eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn zusammen mit Tom eintrudele, um ein wenig Smalltalk mit dem Buchhändler zu pflegen und zu kontrollieren, ob die notwendige Technik auch funktioniert, hat sich an den Türen zur Eingangshalle bereits eine Menschentraube gebildet. In der Luft liegt eine Stimmung, die sich irgendwo zwischen aufgekratzt und aggressiv bewegt. Aber nicht nur Stimmung liegt in der Luft – unverkennbar wabert auch der Geruch von Alkohol über den Köpfen der rund hundert Männer auf dem Vorplatz vor dem Zentrum. Hm, lecker, denke ich ironisch. Das kann ja ein toller Abend werden.
Ich klopfe an die gläserne Eingangstür, die Buchhändlerin sieht uns und schließt auf. Kaum stehen wir neben ihr, schließt sie die Türe hinter uns sehr hektisch wieder zu. Eindeutig: Die Frau ist nervös. Vorfreude auf eine gutbesuchte Veranstaltung?
»Hallo! Wir sind Nina Seefeld und Tom Weidner von Maximal-PR. Wir betreuen Herrn Bosworth«, stelle ich uns kurz vor. »Ich glaube, wir hatten telefoniert.« Die Buchhändlerin nickt uns kurz zu.
»Ich bin Sonja Meier von der Gilde Buchhandlung. Schön, dass Sie schon da sind – und dass Sie einen männlichen Kollegen mitgebracht haben, Frau Seefeld. Ich finde es hier nämlich gerade ein bisschen gruselig. Also, nicht dass Sie mich falsch verstehen – wir sind natürlich glücklich, dass wir so viele Karten verkauft haben. Aber in der Regel haben wir ein etwas anderes Publikum.« Sie deutet mit der Hand nach draußen.
»Na ja, das sind vielleicht nicht alles Günter-Grass-Leser«, räumt Tom ein, »aber es ist doch auch schön, wenn man das Kulturgut Buch auch weiten Bevölkerungsschichten …« In diesem Moment fliegt eine leere Bierflasche in unsere Richtung und zerschellt an der Eingangstür. Offenbar haben die Üxlebener ihrem schönen Gemeindezentrum Sicherheitsglas gegönnt. Durch das Glas dringt ein dumpfes Grölen. »He, ihr Weiber, was wollt ihr hier? Ist nur für Männer heute Abend – ihr geht wohl besser!« Gelächter der Umstehenden.
Tom räuspert sich. »Ja, da sind doch einige vor Vorfreude schon außer Rand und Band. Ihr entschuldigt mich mal kurz?« Er dreht den Schlüssel an der Tür um und springt mit einem Satz auf den Vorplatz, genau dorthin, von wo
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