Sahnehäubchen: Roman
die Flasche geflogen kam. Die drei Männer, die eben noch feixend dastanden und sich ob der gelungenen Aktion die Hände rieben, schauen überrascht und machen einen Schritt zurück. Gedämpft, aber deutlich hören wir, wie sich Tom die mutmaßlichen Werfer zur Brust nimmt.
»Passt mal auf, ihr Honks – noch so eine Aktion und die Bullen rücken an. Dann könnt ihr euch Dwaines Buch ganz in Ruhe und mit viel Zeit im Polizeigewahrsam durchlesen. Übrigens handelt seine Masche davon, Frauen zu beeindrucken und nicht, sie zu verschrecken. Also lasst die Ladys in Ruhe, ihr kommt schon rechtzeitig rein.« Ohne eine Antwort abzuwarten, dreht er sich um und lässt die drei Krawallieros mit offenen Mündern stehen.
»Wow, Tom, du kannst ja richtig energisch sein!«, wundere ich mich. »Nicht, dass ich vor diesen Kapaiken Angst gehabt hätte, aber es ist trotzdem beruhigend zu wissen, dass wir einen starken Mann an unserer Seite haben.«
»Ist das dein Ernst?«, will Tom misstrauisch wissen.
»Natürlich! Ich bin froh, dass du den Idioten gezeigt hast, wo der Hammer hängt.«
»Und ich erst!«, bestätigt die Buchhändlerin und schenkt ihm ein Lächeln. »Und falls es Sie interessiert – ich habe schon ein bisschen Angst vor solchen Typen. Also danke!«
Tom lächelt verlegen, sie strahlt ihn jetzt richtig an.
»Vielleicht könnten wir nach der Veranstaltung ja noch alle zusammen etwas trinken gehen? Was meinen Sie, das wäre doch nett, oder?«, schlägt sie dann vor. Offensichtlich ist an Dwaines These mehr dran, als ich immer wahrhaben will – Frauen stehen auf Alphamännchen.
In diesem Moment fährt sehr langsam eine sehr lange, weiße Limousine vor. Das wirklich sehr, sehr, sehr lange Teil rollt auf die anstehenden Männer zu. Die Menge teilt sich daraufhin und bildet eine Gasse; die Limousine hält direkt vor der Eingangstür, durch die Frau Meier, Tom und ich fassungslos starren.
»Wo hat er denn das Teil her?«, murmelt Tom. »Eine Stretchlimo, ist es zu glauben?«
Die Fahrertür wird geöffnet, ein uniformierter Chauffeur steigt aus und öffnet eine der hinteren Türen. Ein mit Krokoleder beschuhter Fuß schiebt sich durch den Spalt, gefolgt von einem Bein in der bekannten weißen Smokinghose. Zehn Sekunden später steht Dwaine in voller Schönheit neben dem Wagen. Die Menge beginnt zu johlen, einige skandieren sogar: »Dwaine, Dwaine!« Ob er diese Claqueure gemietet hat? Die können unmöglich freiwillig so einen Aufstand machen, nur weil Dwaine seine Männerfibel zum Vortrage bringt!
Der lauthals Gepriesene winkt seinen Fans gönnerhaft zu und sieht in diesem Moment ein bisschen so aus wie Hape Kerkeling als Königin Beatrix. Also, natürlich nicht wie ein Mann, der sich als holländische Monarchin verkleidet hat, aber genauso albern und affektiert in seiner gesamten Gestik.
Frau Meier, die eben noch in einer Art Schockstarre gefangen war, schüttelt sich kurz, dann beeilt sie sich, die Tür wieder aufzuschließen. Dwaines Chauffeur reißt dem großen Meister sofort selbige auf. Er marschiert hindurch und begrüßt mich, indem er mir huldvoll links und rechts ein Küsschen auf die Wange haucht. Tom ignoriert er, vor Frau Meier bleibt er stehen und reicht ihr mit großer Geste die Hand.
»Sie müssen die Buchhändlerin sein. Ich bin Dwaine F. Bosworth, aber nennen Sie mich bitte einfach Dwaine. Ich hoffe, meine Fans haben Sie nicht zu sehr bedrängt. Sie sind manchmal einfach etwas aufgeregt. Ich kenne das schon, es ist gewissermaßen die Kehrseite des Ruhms.«
Pfff! Die Kehrseite des Ruhms! Neulich haben wir uns noch über dreißig Zuhörer in Haselünne gefreut, jetzt tut Monsieur auf einmal so, als ob er auf den großen Bühnen dieser Welt zu Hause sei und es sich bei ihm um die Lichtgestalt der deutschen Selbsthilfeliteratur handele. Frau Meier scheint es aber nicht zu stören, sie schüttelt Dwaine freundlich die Hand.
»Schön, dass Sie gekommen sind. Ich bin schon sehr gespannt auf Ihre Lesung. Ihr Buch war für mich etwas … wie soll ich sagen … gewöhnungsbedürftig. Umso gespannter bin ich jetzt auf Ihre Ausführungen.«
»Das können Sie auch sein. Ich verspreche Ihnen, Sie werden Männer danach mit anderen Augen sehen«, erklärt Dwaine. Was soll ich sagen: Da hat er recht! »So, und jetzt brauche ich noch etwas Ruhe, um mich auf meinen Auftritt vorbereiten zu können.«
»Kein Problem, neben dem Saal gibt es einen kleinen Raum. Kommen Sie, ich bringe Sie hin.« Dwaine zieht
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