Sahnehäubchen: Roman
werden.« In seinen Worten schwingt ein Flehen mit, und ich merke, dass es mir schwerfällt, so hart zu bleiben, wie ich es eigentlich wollte. Ich versuche es trotzdem.
»Nils, du hättest das Buch einfach unter deinem eigenen Namen schreiben sollen. Vielleicht wäre es trotzdem ein Erfolg geworden.«
»Das glaube ich kaum.«
»Woher willst du das wissen?«
»Dass sich niemand für ein Buch von Nils interessiert hätte? Das liegt doch auf der Hand: Die Wahrheit will keiner hören. Sie ist einfach nicht interessant genug. Und die Wahrheit über Männer und Frauen erst recht nicht.«
»Was ist denn die Wahrheit, deiner Meinung nach?«
»Über Männer und Frauen? Wenn du denkst, dass du eine einfache Lösung gefunden hast, bist du mit Sicherheit auf dem Holzweg. Denn jeder Mensch ist anders, also auch jede Frau.«
»Dass Frauen auch Menschen sind, ist nun eine Erkenntnis, die Dwaine mit Sicherheit erschüttert hätte«, stelle ich trocken fest.
»Ja, aber sieh dir mal all die armen Schweine an, die in meine Show gerannt kommen: Die sind an der Wahrheit nicht interessiert, sondern suchen die einfache Lösung. Die es aber nicht gibt im wirklichen Leben.«
Nachdenklich schaue ich Nils über den Rand meines Kaffeebechers an. Unglaublich, wie sehr er sich von Dwaine unterscheidet. Er ist intelligent und differenziert. Eigentlich ein Klassetyp. Also, wenn er jetzt nicht gerade ein Betrüger wäre. Ich stelle meinen Kaffeebecher wieder hin; in diesem Moment greift Nils nach meiner Hand und hält sie ganz fest.
»Ich verstehe ja, dass du die ganze Geschichte nicht gut findest. Aber bitte erzähle es niemandem. Es ist doch nur noch ein Auftritt, dann sind wir fertig. Bitte, du hast es versprochen!«
»Warum hast du es mir überhaupt erzählt?«, frage ich ebenso anklagend wie hilflos. »Wolltest du dein Gewissen erleichtern? Das war dann eine sehr egoistische Aktion, denn für mich ist das jetzt eine echt schlimme Situation.«
»Also gut – du hast recht. Es war egoistisch von mir, es dir zu erzählen.« Nach wie vor hält Nils meine Hand, und er macht nicht den Eindruck, als habe er vor, sie heute noch einmal loszulassen. »Aber du … du bedeutest mir mittlerweile so viel – ich konnte es nicht mehr vor dir verbergen. Erst seitdem ich dich kenne, fühle ich mich auch als Nils so, wie ich als Dwaine auftrete: so selbstsicher. So cool. Aber natürlich nicht so ein Chauvi.« Er sieht mir tief in die Augen. »Du bist mein Glücksbringer, Nina. Deswegen bitte ich dich: Verzeih mir – und zwar mein Verhalten jetzt und meine Lüge sowieso.« Mittlerweile klingt Nils wie ein Ertrinkender, und ich fühle mich tatsächlich wie der Bademeister, der ihm den Rettungsring mutwillig vorenthält.
Wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin, habe ich nicht nur das Gefühl, an mein eigenes Versprechen gebunden zu sein. Sondern auch sehr deutlich das Bedürfnis, Nils helfen zu wollen. Mist, wo kommt das denn auf einmal her? Und vor allem – was mache ich jetzt? Beharre ich auf meinen Prinzipien? Gebe ich meinem Herz nach? Oder lasse ich es einfach laufen und warte ab, was passiert?
»Also gut«, sage ich schließlich. »Du hast es zwar nicht verdient – aber ich behalte dein Geheimnis für mich.«
Nils beginnt, über das ganze Gesicht zu strahlen. »Danke, Nina! Das bedeutet mir sehr viel!«
»Aber nur unter einer Bedingung!«, füge ich streng hinzu.
»Und die wäre?«
»Lass endlich meine Hand los – die fällt mir gleich ab, wenn du noch fester drückst.«
Viertausend Fans! Unglaublich, aber wahr: Dwaine hat schon viertausend Fans. Genau genommen viertausendundeinundzwanzig Fans. Vor thomas talkt waren es zweitausendundkeks – und jetzt das. Phänomenal, welche Wirkung das Fernsehen hat. Und wie von Nils vorhergesagt, hat sich bisher auch noch kein alter Bekannter gemeldet, um ihn auffliegen zu lassen. Lauter gute Nachrichten also, außer vielleicht für Tom, der alle Hände voll damit zu tun hat, bei der Beantwortung von Fanpost noch hinterherzukommen. Er sitzt mit seinem Laptop an dem kleinen Besprechungstisch in meinem Büro und tippt ununterbrochen auf der Tastatur. Hin und wieder unterbricht er seine Arbeit kurz, um mir die neuen Ergüsse der stetig wachsenden Dwaine-Gemeinde zu zeigen. Während es in den letzten Wochen vor allem Männer waren, die Dwaine ihr Herz ausschütten wollten, sind jetzt die weiblichen Fans auf dem Vormarsch. Es scheint geradezu, als ob Deutschlands Frauen darauf gewartet hätten,
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