Sahnehäubchen: Roman
möchtest du auch einen?« Ich schüttle den Kopf.
»Nein danke, ich habe heute schon zu viel von dem Zeug getrunken und bin schon etwas fahrig. Du siehst allerdings auch nicht gerade strahlend aus.«
Alexander guckt unsicher und fährt sich mit der Hand durch die Haare. »Tja, es geht mir auch nicht besonders gut. Ich vermisse Finja. Erst habe ich gedacht, sie will sich einfach nur zwei nette Tage machen, mal ausspannen. Aber dann hat sie mir eine SMS geschickt, dass sie noch Zeit zum Nachdenken braucht. Über uns. Seitdem habe ich eine Heidenangst.«
»Verstehe. Aber mal etwas ganz Praktisches: Ist unsere Mutter denn immer noch bei euch? Oder wie machst du das gerade mit den Kindern?«
»Hör bloß auf – das kommt ja noch dazu!« Alexander stöhnt wie unter einer sehr schweren Last. »Deine Mutter ist jetzt seit einer Woche da, und langsam werde ich wahnsinnig. Natürlich würde ich es ohne sie nicht hinkriegen, dafür bin ich ihr auch sehr dankbar. Aber sie ist einfach eine richtige Nervensäge. Nichts, absolut nichts, was ich mache, bleibt unkommentiert, ständig hat sie Verbesserungsvorschläge und hält mir entsprechende Vorträge. Wenn die Kinder nicht wären, würde ich mich rund um die Uhr ins Krankenhaus flüchten.«
»Echt? Das wundert mich jetzt aber. Du bist doch ihr großer Mein-Schwiegersohn-ist-Arzt -Liebling«, ziehe ich ihn auf. »Das ist sicher nur gut gemeint.«
Alexander verdreht die Augen. » Gut gemeint ist bekanntlich die kleine Schwester von dumm gelaufen. Wirklich, die Vorstellung, es noch länger mit ihr aushalten zu müssen, ist furchtbar.«
»Aha, daher weht der Wind.« Verstehen kann ich es ja. Ich dachte allerdings bisher immer, ich sei die Einzige, die so ihre Schwierigkeiten mit ihr hat. Allerdings lässt das auch einen anderen Rückschluss zu: »Du willst also nur, dass Finja schnell zurückkommt, damit sie dich von Mama erlöst?«
Alexander schüttelt jetzt heftig den Kopf. »Nein, so meine ich das nicht. Mit eurer Mutter komm ich schon noch klar. Da stelle ich notfalls auf Durchzug. Es geht mir um Finja. Ich vermisse sie. Ich …« Er blickt zu Boden, dann schaut er mir direkt in die Augen. »Ich habe furchtbare Angst, sie zu verlieren.«
Ich erkenne meinen sonst so selbstsicheren und immer wieder überheblichen Schwager kaum wieder – er scheint wirklich zu leiden. Einerseits tut mir das leid, andererseits freut es mich: Vielleicht gibt es doch noch Hoffnung für die beiden? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Finja Alexander keine Chance mehr gibt, wenn sie merkt, wie ernst es ihm ist. Ich greife über den schmalen Bistrotisch und drücke kurz seine Hand.
»Komm, das wird schon wieder. Ich glaube nicht, dass Finja dich tatsächlich verlässt. Sie ist nur momentan etwas frustriert und durcheinander. Ich glaube, das Hausfrauendasein bekommt ihr nicht so gut.«
»Hoffentlich hast du recht. Ich habe aber ehrlich gesagt Angst, dass … dass noch etwas anderes dahintersteckt. Oder genauer gesagt: ein anderer.« Er sieht betreten zu Boden. »Ich weiß, du darfst es mir wahrscheinlich nicht sagen, aber ich frage dich trotzdem: Hat Finja eine Affäre?«
»Bitte?« Ich muss laut losprusten. »Wie kommst du denn darauf?«
»Also, so abwegig ist der Gedanke gar nicht«, verteidigt Alexander sich. »Und ich habe auch schon einen Verdacht, wer es sein könnte: dieser blöde Ami, den du neulich auf ihre Geburtstagsfeier mitgeschleppt hast.«
»Du meinst Dwaine?«
»Genau den meine ich.«
»Alexander, da kann ich dich beruhigen. Zwischen den beiden ist absolut nichts.«
Mein Schwager beäugt mich misstrauisch. »Bist du sicher? Ich meine – sie lernt diesen Typen kennen, und drei Tage später ist sie weg. Das kann doch kein Zufall sein! Du hättest sie mal nach der Feier hören sollen – sie hat regelrecht von diesem Idioten geschwärmt.«
Holla, da ist jemand eifersüchtig. Aber geschieht ihm auch ein bisschen recht. Wenn er Finja nicht die ganze Zeit wie ein Möbelstück behandelt hätte, wäre das mit Sicherheit nicht passiert.
»Also, ich glaube, da bist du auf dem Holzweg. Außerdem war ich in den letzten Tagen fast ununterbrochen mit Finja oder Dwaine zusammen, da wäre mir bestimmt aufgefallen, wenn die beiden eine heiße Affäre hätten.« Ich gucke auf meine Uhr. Mist, schon Viertel nach drei – so langsam muss ich wirklich ins Büro zurück. »Ich hab leider nicht mehr viel Zeit. Aber wenn du möchtest, rede ich noch mal mit Finja und versuche, sie davon
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