Saigon - Berlin Thriller
Hauptwachtmeister Ewald Steiger sprechen und ein ordentliches Dokument haben«, beharrte ich.
Der Grenzer rollte mit den Augen. »Sie müssen sie doch nicht alle haben. Der Hauptwachtmeister hat seinen Dienst nicht angetreten. Und wenn Sie mich fragen ... der hat rübergemacht. Ist auch besser für ihn. Sonst hätten sie ihn hier hoppgenommen. Also los. Weiterfahren.«
Ich fuhr weiter. Das Autotelefon wollte sich nicht melden. War meine Mission beendet, ohne dass ich es wusste? War mein Rauschgifttransfer schon alles oder auch nur ein Ablenkungsmanöver gewesen? Wenn ja, dann von was? Wo war The-Maria? Hatten die Unbekannten Kleiner Drache wirklich? Die Tochter, das konnte ich mir vorstellen. Aber die Mutter? Das absolut nicht. Wer steckte hinter allem? Fragen über Fragen. Und je mehr ich mich quälte, umso nebulöser wurde alles.
Ich suchte mir eine Funkverbindung und rief im Verlag an. Die Nachtredaktion musste noch besetzt sein. Schnell stellte ich meine Fragen zusammen und bat um Rückruf um Punkt zwölf Uhr morgen Mittag.
Mein Kollege bestätigte. »Hast du heute schon den Lokalteil unserer Berliner Ausgabe gelesen? Vielleicht hilft dir das schon mal weiter.«
Nein. Das hatte ich noch nicht. Ich holte es an der Haltestelle der Linie 25 nach und fluchte. »So eine Scheiße. Warum weiß ich das nicht früher?« Der Artikel war kein Eigenprodukt des Verlages. Als Urheber war die DPA, die Deutsche Presseagentur, ausgewiesen.
Im Berliner Lokalteil stand auf der ersten Seite in fetten Lettern:
RÄUMT DIE VIETNAM-MAFIA IN BERLIN AUF?
Darunter der Text.
Seit der Maueröffnung scheint die vietnamesische Mafia ihre Aktivitäten von Ost- nach Westberlin verlagert zu haben. Was bisher Hoheitsgebiete der türkischen, italienischen und russischen Mafia gewesen waren, wird mit einer bisher noch nicht da gewesenen Brutalität durchgesetzt. Die Polizei scheint hilflos zu sein. Bisher gab es fünf Ermordete asiatischer Herkunft. Zwei italienische Barbesitzer und drei Bodyguards russischer Herkunft. Allen wurde der Kopf abgetrennt und vor die Türen bestimmter Bürger gelegt. Diese wurden inzwischen unter Polizeischutz gestellt. Es wurde eine Sonderkommission gebildet ...
Ich rief wieder im Verlag an.
»Findet heraus, wer der Urheber dieser Meldung ist. Ich muss es wissen.«
Der Bus hupte hinter mir. Blendete auf. Ich sah auf die Borduhr. Ich war spät dran. Vielleicht zu spät für alles. Gab dem Mercedes die Sporen. Ich parkte ihn direkt vor der Kneipe mit ihren langsam ausgehenden Lichtern an der Fassade. Nun brannten nur noch die Birnen » ... ion« Mehr war bei Dunkelheit nicht zu entziffern.
»Männeken, das wird aber auch Zeit«, empfing mich Mollie. »Paule ist fast schon wieder sturzbetrunken. Ich gebe ihm seit einer Stunde nur noch Wasser als Schnaps. Und was redet der für einen Quatsch? Das kann für euch gefährlich werden. Nimm den Kerl endlich mit.« »War Ewald heute schon hier?«
Mollie schüttelte den Kopf. »Nee. Der müsste schon längst Dienstschluss haben. Vielleicht müssen sie Überstunden schieben. Es folgen momentan zu viele dem Ruf des Westens. Dagegen sind die Grenzer auch nicht immun. Vor allem nicht, wenn sie Verwandte im Westen haben.« Sie grinste und polierte Gläser.
»Dann steck Paule für 'ne halbe Stunde in den Schnee. Oder gib ihm einen Koffeineinlauf, damit er wieder nüchtern wird. Ich muss in Ewalds Wohnung. Bin gleich zurück.«
Ich hetzte die Straße entlang. Eine Ahnung. Es war nur eine böse Ahnung, die ich seit Vietnam als ständigen Wegbegleiter hatte. Sie hatte keinen Namen. Aber sie hatte sich irgendwie als Berater an meinen Instinkt angedockt.
Ewalds Wohnung war nicht verschlossen. Überall brannte Licht. Ich war zu spät. Die Wohnung war durchwühlt und systematisch auf den Kopf gestellt worden. Stiefelspuren. Überall waren Stiefelspuren auf dem Holzboden. Salz und Schneegemisch verrieten die Eindringlinge. Es war das Profil von Armeestiefeln. Vorsichtig umrundete ich die Abdrücke. Wischte meine Spuren mit einer alten Zeitung weg.
Im Eilschritt keuchte ich in den vierten Stock. The-Marias Zimmer sah so aus, wie ich es befürchtet hatte. Es war total verwüstet. Selbst die Bettwäsche war zerschnitten. Meine Tasche mit den Kleidern hatte jemand angezündet. Die Fotos auf dem Familienschrein waren zertreten.
Machtlos lehnte ich im Türrahmen und besah mir das Chaos. Atmete tief durch und nahm den Schrein unter den Arm. Das war alles, was ich als
Weitere Kostenlose Bücher