Saigon - Berlin Thriller
dem Einsatz ist etwas schiefgelaufen. Die legen dich sofort um, wenn du aus den Fotos in der Presse etwas machst. Daher halte ich es für besser, wenn du Kopien hast, bevor man dir die Originale abnimmt.«
Nach dem Warum zu fragen, ersparte ich mir. Alles, womit man mich in diesen irrwitzigen Einsatz geködert hatte, war nicht eingetreten. Wir hatten einfach ein harmloses Dorf mitsamt seinem lebenden Inhalt dem Erdboden gleichgemacht. Und dafür war ich zwei Tage hin- und zwei Tage zurückmarschiert. In nassen Klamotten. Attackiert von Moskitos und scharfen Laubblättern, die mir die Kleidung zerrissen. Schlaf auf einem modrigen Boden. Wenige Stunden. Aber auch nur aus Erschöpfung. Nur meine Füße hatten durchgehalten. Sie blieben trocken. Ich wollte, ich wäre meine Füße. Micky war ein Schatz.
Wir verschwanden in einem Erdbunker. Zwei Sergeants taten Dienst. Patrick grüßte kurz mit »Weitermachen!«. Er war der Chef hier. Schloss einen Raum an der Rückseite auf und hinter uns wieder zu. Überall hingen Luftbildaufnahmen an Leinen im Raum zum Trocknen.
»Welche Filme soll ich entwickeln?«
Ich kramte meine Filmpatronen aus den Taschen. Hoffentlich hatten sie nicht unter meinem Schweiß gelitten.
»Achthundert-ASA-Farbfilme.« Patrick begutachtete die Patronen. »Und wie belichtet?«
»Mit sechzehnhundert«, gab ich die total überzogene Belichtungszeit an. Das ersparte mir jeden Blitz. Kostete aber auch Qualität in den Endergebnissen.
»Sehr mutig«, murmelte Patrick. »Muss ich nur wissen, um den Entwickler darauf einzustellen. Dreißig Filme ... in zwei Stunden habt ihr sie mit je einem Abzug. Und jetzt verschwindet. Ich habe eigentlich keinen Dienst mehr. Stellt mir mal einen Whiskey in der Messe kalt.«
Micky und ich saßen auf einem gefällten Baumstamm. Der Himmel war sternenklar. Irgendwo in der Ferne flackerten Bombenblitze auf. Die Moskitos waren unerträglich. Sie bevorzugten weiße Haut. Ich schlug um mich. Micky grinste nur und schüttete den Inhalt eines Flachmanns über mich. Es stank bestialisch.
»Was ist das denn, zum Teufel? Willst du mich vergiften?«
»Nein«, erwiderte sie lächelnd. »Aber rauchen solltest du die nächsten Minuten nicht. Das ist Kerosin. Flugbenzin. Das mögen die Biester nicht. Und Duschen musst du ohnehin irgendwann mal. Du stinkst nämlich.«
Ich stank weiter vor mich hin. Wie ein geborstener Tank eines notgelandeten Flugzeugs. Aber die Biester ließen mich in Ruhe.
»Wie kommst du darauf, dass man mich in eine Falle gelockt hat?«
»Nicht in eine Falle.« Micky zündete zwei Zigarillos an. Gab mir eines davon. »Kannst jetzt rauchen. Die Explosionsgefahr ist vorbei. Nur bei direkter Flamme würdest du noch hochgehen.«
Sehr beruhigend war das alles nicht. Ich rauchte und sah zum Himmel. Sternschnuppen fegten den Zenit entlang. Ein seltenes Schauspiel in diesen Breitengraden. Die buddhistischen Mönche würden daraus sofort ein Omen machen. Ich dachte an Gnong Duc, den Bettelmönch aus dem Kloster jenseits der Grenze, und an seine Zurechtweisung, dass es nicht um den Gewinn gehe, sondern um die Ehre, der Beste auf seinem Gebiet zu sein.
»Die Morphine haben mich stutzig gemacht«, fuhr Micky leise fort. »Diese Menge ist absolut unüblich. Als hätte das Kommando einen Totalausfall ins Kalkül gezogen. Und was kommt zurück? Kein Einziger, der nur einen Kratzer abbekommen hat. So was nenne ich einen totalen Fehlschlag. Jemand hat das ganze Kommando in die Irre gelockt. Und jemand ist darauf reingefallen.«
»Reingefallen? Was ist mit hundert toten Zivilisten? Unzähligen Schweinen und Hühnern?«, knurrte ich.
Micky nickte.
»Genau da ist das Problem. Sie wollten als die Sieger über Was-weiß-ich dastehen. Alles schön brav von einem unabhängigen deutschen Fotografen dokumentiert. Und dann mussten sie nur noch die Zeugen ihres Versagens killen. Bauern, Schweine, Hühner. Jetzt bist du ihr letzter Zeuge und stehst ganz weit oben auf ihrer Liste. In deiner Haut möchte ich nicht stecken. Obwohl ... weiß würde mir auch stehen.«
Acht Stunden später.
Mit einem seit zehn Kilometer defekten Hinterreifen rollte ich vor den Hoteleingang. Der Peugeot machte nur noch Krach und ließ sich nur mit Gewalt in der Spur halten. Ich war es leid, stank nach Benzin und war dreckig. Alle meine Hoffnungen ruhten auf Kleiner Drache. Dass das Bad und das Bett frei waren. Waschen und schlafen. Mehr Bedürfnisse hatte ich momentan nicht.
»Magst du etwas
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