Sakrament der Lust
nur ein einziges Thema!»
«So was denn?», frage ich und hoffe inständig, dass es nichts mit Pater Siebert zu tun hat.
«Pater Siebert, der, den du gemalt hast, wurde in der Kirche beim vögeln erwischt – während der Messe! Und die ganze Gemeinde hat dabei zugesehen!»
Mir fällt die Kinnlade herunter und mein Gesicht wird leichenblass. Auf welche Weise die Gerüchteküche die Geschehnisse auch noch modifiziert hat, schockiert mich.
«Da bist du platt, was? Das hätte ich ihm auch nicht zugetraut – vor allen Leuten!»
Ich schlucke heftig.
«Lisa, man darf nicht alles glauben, was die Leute sagen!»
«Mom, ich weiß es von Jenny und die hat es direkt von Jonas, der alles am Sonntag miterlebt hat!»
Ich muss sie irgendwie vom Thema ablenken.
«Das klingt ja schon … dramatisch und ziemlich unglaublich!» Ich schüttele den Kopf. «Du, Lisa, wie läuft's eigentlich mit Mike? Habt ihr euch wieder vertragen?»
«Ja, alles OK, Mom!»
«Willst du mir erzählen, was los war?»
«Na ja, er wollte doch schon mehr ausprobieren als Knutschen und Händchenhalten!»
«Oh, und wie habt ihr euch geeinigt?»
«Wir warten bis zu meinem sechzehnten Geburtstag!»
«Aha! Dann ist ja gut, dass ich Bescheid weiß!»
Lisas Blick schweift zum Küchenfenster, als sie plötzlich inne hält.
«Du, schau mal Mom, ist das nicht Pater Siebert, dort vor unserem Haus?»
Ich wende erschrocken den Blick nach draußen und da sehe ich ihn tatsächlich. Er schaut zu unserer Haustür, rauft sich die Haare und wendet sich wieder zum Gehen. Offensichtlich ringt er mit sich, ob er herein kommen soll, oder nicht. Am liebsten würde ich ihm jetzt hinterherlaufen, aber was würde Lisa dann denken?
«Mom! Sag dass das nicht wahr ist!», ruft Lisa plötzlich entsetzt.
«Was?», frage ich verdutzt.
«Das Bild! Es war gar kein Auftrag! Du hast ihn gemalt, weil du was mit ihm hast! Du bist die Frau aus der Kirche!»
Ich starre Lisa entgeistert an und sinke tiefer in den Küchenstuhl. Unfähig, ihr zu entgegnen, blicke ich sie an. Natürlich deutet sie meine Reaktion sofort als Eingeständnis.
«Ich fasse es nicht! Meine Mutter treibt es mit dem Priester vor allen Leuten in der Kirche! Das ist ja super mega peinlich!»
«Moment mal, Lisa, so war es nun wirklich nicht! Es ist so, ich habe mich in Julian verliebt und wir haben in einem Hinterzimmer der Kirche miteinander geschlafen. Aber na ja, es kamen fünf Sänger vom Chor herein, als wir – ähm – schon fertig waren – und die sind dann auch sofort wieder gegangen!»
Jetzt ist es Lisa, die sich tiefer in den Küchenstuhl sinken lässt. Ich sehe förmlich, wie es in ihrem Gehirn arbeitet. Sie sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an.
«Das hätte ich dir gar nicht zugetraut, Mom!», sagt sie irritiert, als ein Blitzen in ihren Augen auftaucht. «Irgendwie bist du doch viel verrückter als ich dachte!»
Und dann breitet sich plötzlich ein Grinsen über Lisas Gesicht aus.
«Meine Mom und ein Priester! Das ist echt zu komisch! Irgendwie auch cool! Wenn ich das den anderen in der Schule erzähle, dann bist du die Heldin des Tages!»
«Äh, Lisa! Ich möchte absolut nicht, dass du das rumerzählst!»
In diesem Augenblick klingelt es an der Tür und mein Herz setzt schier ein paar Schläge aus. Ist Julian doch wieder zurückgekehrt?
«Ich seh mal nach, wer das ist!», ruft Lisa und noch bevor ich sie zurückhalten kann, öffnet sie die Haustür. Gleich darauf höre ich Julians tiefe Stimme:
«Äh, ach hallo Lisa!», sagt er verwundert. Offensichtlich war ihm nicht klar, dass seine Ethik-Schülerin Lisa meine Tochter ist. Es folgen einige Sekunden des Schweigens. «Ist deine Mutter da?»
«Sicher, sie wartet schon sehnsüchtig auf Sie, Pater Siebert!»
Ich vergrabe meine Gesicht in den Händen. Meine Tochter kann ein ganz schön vorlautes Biest sein, denke ich. Dann gehe ich in den Flur und blicke Julian forschend an.
«Hallo Julian!», begrüße ich ihn verhalten.
Der schreckliche Abschied in der Kirche sitzt mir noch immer tief in den Knochen.
«Hallo Jana!»
In der schwarzen Jeans und dem blauen Hemd sieht Julian wie ein ganz normaler (zugegeben attraktiver) Mann aus, gar nicht wie ein Priester. Nur das kleine silberne Kreuz, das er als Anstecknadel trägt, verrät seinen Beruf. Er wirkt distanziert. Lisa mustert uns beide eingehend und ihre neugierigen Blicke sind mir unangenehm, weil ich selbst nicht weiß, wie ich mit der Situation umgehen soll. Ich trete
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