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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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zugestiegener bayerischer kommen mit Koffern voller
Knete von der Verkaufsmesse zurück. Dort müssen die Italiener ziemlich getankt
haben. Vierunddreißig Maß Bier, drei Zwetsch und sechzehn Obstler gibt der
Pächter des Bierkönigs an. Die Gespräche während der Fahrt drehen sich – soweit
man so was Gespräche nennen kann – lautstark ums Oktoberfest. Irgendwann – es
muss wohl hinter Grafing gewesen sein, meint der Fahrer – hat sich der Bayer in
eine süße Sennerin mit blonden Zöpfen verwandelt.«
    Chili langte kurz hinüber, hielt die Gummimaske empor und schwenkte
sie in der Luft.
    »Das gefiel den Italienern. Sie wollten auch eine solche Maske
haben. Die haben das wohl für ein Oktoberfestritual gehalten. Diese Menschen
sind ja offenbar so geil auf die Münchner Wiesn, das ist unglaublich. So wie
unsereins bester Laune in einer Trattoria am Meer bei einem Glas Wein sitzt, so
mögen die es dampfend und eng und grölend in einem Wiesnzelt. Zufällig hatte
der Bayer noch mehr solcher Masken im Gepäck. Nun sitzen also acht zopferte
Sennerinnen hinter dem Fahrer –«
    »Und genau an diesem Punkt beginnen die Fragezeichen«, unterbrach
Rico. »Die Italiener haben gesehen, wie der Bayer plötzlich mit einer
Handgranate in der Luft herumfuchtelt. Der Fahrer will davon nichts bemerkt
haben …«
    »Weiß man denn, wie der Bayer in echt ausgesehen hat?« Bruni hatte
einen Finger gereckt, bevor er sprach. Es war allseits bekannt, dass Rico es
nicht mochte, wenn jemand ihm ins Wort fiel.
    Rico ging auch prompt nicht auf die Frage ein.
    »In dem kleinen Waldsträßchen vor Maxlrain wurde schließlich
angehalten«, ergriff Chili wieder das Wort. »Der Fahrer behauptet, das sei von
Anfang an so geplant gewesen. Der zugestiegene Bayer habe dort aussteigen
wollen. Ich habe es im Reisebüro überprüft. Es stimmt.«
    Chili rückte ihren Stuhl zur Seite und schlug sittsam die Beine
übereinander. Den Kaffee stellte sie auf den Tisch, damit sie besser mit den
Händen sprechen konnte.
    »Und dann haben wir noch diesen komischen Sprengstoffgürtel. Wie Sie
alle aus meiner Infomail wissen, hatte einer der Italiener einen
Sprengstoffgürtel um, der keiner war. Eine Attrappe. Dieselbe Methode, die
schon bei dem Dirndlüberfall im Dezember angewendet wurde. Eine Attrappe hält
die gesamte Mannschaft in Schach. Abgesehen davon, dass sie alle besoffen
waren. Zusammen mit der Handgranate als Bedrohung, die möglicherweise auch
nicht echt war, gleicht der Überfall erstaunlich dem Dirndlüberfall kurz vor
Weihnachten, obwohl er sonst nichts mit ihm gemein hat.«
    »Außer dass sie Geld wollten«, korrigierte Rico überlegen. »Da
sollten Sie schon genauer sein.«
    »Bin ich eine Buchhalterin oder was?«, schoss Chili cool zurück.
»Bei jedem verdammten Überfall geht’s doch ums verdammte Geld. Um was sonst?«
    Rico sagte nichts. Auch seiner Miene war nichts anzumerken. Doch
Chili war klar, dass ihr Chef das nicht auf sich sitzen lassen würde. Bei
Gelegenheit würde er ihr die Antwort um die Ohren hauen. Aber das nahm sie in
Kauf. Trotzdem fühlte sie sich irgendwie unwohl. Bei der nächsten Besprechung,
nahm sie sich vor, würde sie kein Kleid mehr tragen.
    »Aus den Italienern habe ich herausbekommen, dass kurz nach dem Halt
im Maxlrainer Forst die Tür von außen aufgerissen wurde. Zwei weitere Typen mit
der Bayernmädelmaske schauten herein, wahrscheinlich bewaffnet. Möglicherweise
Komplizen des Bayern im Kleinbus. Doch gesichert ist das nicht.«
    Chili hielt für eine Sekunde inne und blickte vom einen zum anderen.
Bei Rico blieb sie hängen.
    »Und nun kommt der Umstand, der für mich am unklarsten ist. Im Wagen
befand sich eine gute Million Euro Bares. So viel hatten die Händler auf der
Messe eingenommen, und dieses ganze Geld schleppten sie mit sich herum. Doch
nur den dreien, die in der ersten Reihe des Taxis saßen, nahmen die Täter die
Knete ab. Ungefähr dreihunderttausend Euro, vielleicht ein bisschen weniger.
Dann hörten sie auf einzusammeln. Ich hab noch nie von so einem mildtätigen
Überfall gehört, bei dem mehr als zwei Drittel der Beute zurückbleibt. Das kann
kein Zufall sein, denn dass sie unter Zeitdruck standen und die Aktion
abbrechen mussten, davon ist nicht die Rede. Sie wollten ganz bewusst nicht
mehr einsacken, den Eindruck habe ich aus allem gewonnen. Und dieser Eindruck
verstärkt sich immer mehr.«
    Sie lehnte sich zurück, entfaltete die Beine und blies die Wangen
auf. Unter

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