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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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sich nicht gehen zu lassen und zu beherrschen. Er war
voller Traurigkeit. Der beginnende Frühling war für ihn und Lola immer die
schönste Jahreszeit gewesen. Wenn sie dick eingemummt im Porsche mit röhrendem
Elvis Presley durch die Berg- und Seenlandschaft fuhren, einen frühen
Biergarten an der Hauswand bevölkerten, im ersten Licht des Wochenendes den
einen oder anderen Berg durch den Schnee hochstapften. Der Après-Ski am
Sonntagabend mit Freunden bei der Hannelore in Tirol.
    Zum Seufzen kam er nicht, denn Rico funkte dazwischen.
    »Herr Ottakring, wir brauchen Ihre Erfahrung«, begann er.
    Ottakring saß angespannt vorgelehnt in einem Stuhl. Er bemerkte ein
belustigtes Schmunzeln um Chilis attraktiven Mund.
    »Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass der Dirndlüberfall und der
Schmucküberfall von der selben Tätergruppe begangen wurden«, sagte Rico. »Die
Maskierungen, die Raffinesse der Methode, der Gebrauch von Handgranaten und
Sprenggürteln, der komplett unblutige Ablauf – das alles führt uns zu dem
Schluss, dass da nicht geldgierige Profis am Werk waren. Eher solche, die sich
– lassen Sie es mich so sagen – die Zeit mit möglichst noch nie da gewesenen
Überfällen vertreiben wollten. Dazu gehört eine gewisse Branchenkenntnis.«
    Rico machte eine kurze Pause und sah Ottakring mit hochgezogenen
Augenbrauen in die Augen. »Kennen Sie da jemanden, der in Frage kommen könnte?«
    Chili nickte ihm bekräftigend zu. »Ich müsste es ja auch wissen«,
sagte sie. »Ich bin ja fast genauso lang in Rosenheim wie Sie.«
    Im Dienst waren die zwei per Sie, obwohl sie sich seit Chilis
Kindesbeinen duzten.
    Ottakring schwieg und dachte nach.
    Doch Rico konnte es nicht schnell genug gehen. »Ich will ein
Beispiel nennen. Der Glassplitter unter der Fußmatte des Fluchtautos. Sie
erinnern sich? Dieses Teil …«
    »Nein, der Herr Kriminalrat wird sich daran sicher nicht erinnern«,
tönte Chili leise in den Raum. »Mit Erinnerungen hat der’s schwer.« Mit
glänzenden Augen grinste sie Ottakring fröhlich an.
    Ottakring ging nicht näher darauf ein. Doch Chilis Bemerkung musste
ihn getroffen haben. Er schloss die Augen. »Erinnerungen. Der Nachsommer
unseres Glücks«, murmelte er leise.
    »Dieser Glassplitter unter der verkohlten Fußmatte hätte eigentlich
zu Ergebnissen führen müssen. Er wurde durch Messung der speziellen
Lichtbrechung als Rest eines Audi-Scheinwerferglases identifiziert. So weit
sind Sie informiert, nicht?«
    Ottakring nickte nur.
    »Tja. Den Tätern war klar, dass das Glas durch Feuer nicht
vernichtet werden würde«, schaltete Chili sich ein. »Sie haben die Scherbe also
bewusst im Auto ausgelegt, um uns auf eine falsche Fährte zu locken.«
    »Oder zumindest, um uns Schwierigkeiten zu bereiten«, flocht Rico
ein.
    Chili himmelte Ottakring mit seinen Augensäcken und seiner
Griesgrämigkeit an, als freue sie sich auf einen Abend an der Bar mit ihm.
    »Und wir könnten uns vorstellen, Herr Ottakring, dass der Einfall
auf der Lektüre eines Artikels beruht, in dem unser hoch geehrtes
Bundeskriminalamt stolz sein neues Spektralanalysemessgerät vorgestellt hatte.«
    Rico war klug genug, einen Augenblick des Nachdenkens verstreichen
zu lassen. Dann kam er wieder. Er rückte seine Krawatte zurecht, als müsse er
eine Geburtstagsrede halten.
    »Wenn meine Theorie stimmt, müssen wir uns fragen, wer Zugang zu
diesem Fachblatt besitzt. Es liegt ja nicht einfach so in der
Bahnhofsbuchhandlung herum.« Rico räusperte sich und behielt Ottakring im
Blick.
    »Das Fluchtauto«, fuhr er fort, »dieser total miese Fiesta, war
abgefackelt worden und ging komplett in Flammen auf. Wir haben das Wrack auf
einen Tieflader gepackt und nach Wiesbaden gekarrt. Die Untersuchung im BKA -Labor war aufwendig und konzentrierte sich zunächst
auf den Zünder. Und was glauben Sie, was das Ergebnis dieser Untersuchung war?«
    Ottakrings Miene hatte sich zusehends aufgehellt. Er war
interessiert.
    »Die Täter«, fuhr Rico fort, »haben einen metallfreien Zünder
benutzt, der praktisch rückstandsfrei verbrannt ist, und haben ihn an ein
Öl-Benzin-Gemisch im Fahrgastraum gelegt. Raffiniert, was?«
    Chili beugte sich mit verschränkten Händen im Genick zurück. »Es hat
sich quasi um Altölentsorgung gehandelt. Auch das Benzin entsprach der im Tank
enthaltenen Sorte.«
    Ottakring schnalzte mit der Zunge. »Echte Profis, wie?«, sagte er.
»Hätte ich nicht vermutet. Als ich sie beim Gachinger erlebt habe, kamen

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