Sakramentisch (German Edition)
gleichzeitig von oben und von unten bis auf die
Haut durchnässt, begleitet vom Sirenengeheul der Feuerwehr.
»Zum Wohl, meine Herren«, sagte Paradisi mit triefender
Scheinheiligkeit, als sie mit ihrer Beute an der Bar im Eingangsbereich
vorbeikamen. Sie hielt ihnen ein schäumendes Pils entgegen.
»Keinen Arm frei«, sagte Werner und deutete mit dem maskierten Kinn
auf die Metallboxen unter seinem Arm.
»Keine Zeit«, sagte Hadi ergänzend.
Sie strebten dem Nebenausgang – dem für die gschamigen Kunden, wie
es Artur beschrieben hatte – zu, während Paradisi an der Bar mit ihrem Handy
hantierte und am Haupteingang der erste Polizist unter der Tür stand.
Der Nebenausgang schien die einzige intakt gebliebene Tür im Gebäude
zu sein. Sie war nur etwas verklemmt. Doch nach einigen Fußtritten ging sie
auf, und der Regen schlug ihnen wie ein nasser Vorhang entgegen. Im Schein der
Feuersbrunst wälzte sich der Inn träg wie rot glühende Lava vorbei.
Und mittendrin ihr Fluchtfahrzeug.
Das Tourenkajak lag unbeschädigt am Kai, dort, wo sie es festgemacht
hatten. Es war ein gebrauchtes Dreierkajak in der Tarnfarbe olivgrün, das Artur
vom Lagerplatz des Herstellers günstig hatte entwenden können. Ein Glück, dass
er die Einstiegsluken mit Spritzdecken abgedichtet hatte. Das Boot wäre bei
diesen Regenfällen untergegangen.
»Was bloß mit Artur passiert ist«, sagte Werner. »Der müsste jetzt
hier sein und die Leinen losmachen. Das war seine Aufgabe. Ich hab das noch nie
gemacht.«
Hadi schüttelte den Kopf. »Ich versteh das auch nicht«, sagte er.
»Aber macht nix. Wir kriegen das schon hin. Gib her.«
Er nahm die vorderste Abdeckung weg und packte ihre Beute hinein. Es
war nicht einfach, etwas Viereckiges in etwas Rundem zu verstauen.
Vor und neben ihnen rauschte das schmutzige Wasser des Inns in einem
Wahnsinnstempo vorbei. Die weiße Gischt bildete wirbelnde Krönchen auf
orangefarbenen Wellen.
»Da soll ich rein?«, brüllte Werner gegen den Lärm des Stroms an.
Hadi hatte Mühe, die Verbindungstaue gegen die Wucht des anrennenden
Wassers zu verteidigen. Am Ende hatte er es unter nervenzerfetzendem Einsatz
geschafft, Werner und sich selbst in ihre Sitze, die Paddel in die Fäuste und
das Kajak vom Ufer loszubekommen. Mit Wind und Strömung wurden sie auf dem
breiten Strom nach Norden die Innleiten entlanggetrieben, vorbei an
hilferufenden Wohnsiedlungen, überschwemmten Sportplätzen, der gurgelnden
Kläranlage, vorbei auch an sprudelnden Feldern und abgetauchten Wiesen, auf
denen mehr Silberreiher bis übers Knie im Wasser standen, als Autos auf den
Straßen fuhren. Dass es zunehmend weniger regnete, merkte die Bootsbesatzung
nicht, denn sie war schon bis auf die Haut nass.
Hadi und Werner arbeiteten mit den Paddeln, bis sie Krämpfe in den
Oberarmen bekamen. Sie kämpften gegen die wild gewordenen Fluten an, um sich
auf der Westseite des Gewässers zu halten, weil kurz vor Langenpfunzen ihr
Fahrzeug geparkt war. Kurzum: Sie taten alles, um nicht zu Fischfutter
verarbeitet zu werden.
»Hadi, ich muss mit dir sprechen.« Werner stand mit bleichem
Gesicht vor ihm, durchweicht vom Regen, die Hände in die Hüfte gestützt.
Hadi erwachte wie aus einem Tagtraum. Es war ihm doch tatsächlich so
vorgekommen, als hätten sie wie Dick und Doof bei diesem Wetter, diesem Seegang
und bei kompletter Dunkelheit das Boot bestiegen und wären losgerudert. Er
schüttelte die Müdigkeit ab, seufzte und rieb sich die Augen.
»Wir schneiden das Boot los und nehmen den Roller«, brüllte Werner
gegen den Sturm an.
Er wartete Hadis Reaktion gar nicht erst ab. Er richtete den Strahl
seiner Taschenlampe auf das Kajak, hatte das Messer schon in der Hand und
durchschnitt das Tau. Mit einem kräftigen Ruck zuckte der Bootskörper kurz vor
und zurück und sprang wie ein junger Hund ins Wasser.
»Auf geht’s!«
Werner hatte den Metallkoffer bereits unter dem Arm, bevor Hadi
vollends wach war.
Der Salon Kitty stand komplett in Flammen und beleuchtete die
gesamte Szenerie. Rauch stieg auf, eine dunkle Wolke in einem noch dunkleren
Himmel. Feuergeruch machte die Luft zum Schneiden dick. Sirenen heulten
pflichtgemäß und Blinklichter nudelten eifrig vor sich hin.
Hadi nickte Werner zu. Ihr Auftrag war erfüllt. Sie hatten wenig
Bargeld erbeutet, aber unverhofft einen Schatz gehoben, der, wenn realisiert,
ihnen allen dreien ein sorgenfreies Leben, egal wo auf der Erde, gestatten
würde.
Bis zum Motorroller waren es
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