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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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benötigte mehrere Handvoll Minuten, um zu begreifen,
dass ihr geliebter Opapa das Zeitliche gesegnet hatte und nie mehr aufstehen
würde. Dass sie fortan vollkommen allein auf sich gestellt sein würde, daran
dachte sie nicht gleich. Ihr einziger Sinn trachtete danach, den Opapa wieder
wach zu bekommen.
    Was tut man in solch einem Fall? Man ruft den ärztlichen Notdienst
an. Das hatte sie schon gelernt und den Ernstfall zweimal praktiziert.
    In weniger als dreißig Minuten waren sie da.
    Und in weniger als zwanzig Minuten war der Notdienst wieder weg. Der
pensionierte Polizeipräsidiumspförtner Artur Josef Huber war tot. Eines
natürlichen Todes gestorben. Ganz plötzlich.

ZWANZIG
    Der Sonnenuntergang hinter dem Wendelstein war grell und
bedrohlich. Von ferne war Donnergrollen zu hören, als Hadi und Werner zu Fuß
auf den Salon Kitty zusteuerten, jeder aus einer anderen Richtung kommend.
Seine Nylonmaske und die Gummihandschuhe hatte jeder bequem in die schwarze
Nylonumhängetasche in direkte Nachbarschaft zu einer Taschenlampe gestopft.
Hadi führte zusätzlich zwei Handgranaten, Werner den Sprengstoffgürtel mit
sich.
    »Salon Kitty«, in glühend blauer Leuchtschrift quer übers Haus
geschrieben. Man konnte es nicht verfehlen.
    Sie trafen sich auf dem Autoabstellplatz, der naturgemäß etwas
abseits lag und wie eine Bienenwabe geteilt war, sodass kein Besucher den
anderen sehen konnte. Kein Lüftchen regte sich.
    »Wo bleibt Artur?« Hadi sah auf seine Uhr. Es war achtzehn Uhr zwei.
Um achtzehn Uhr hätte es losgehen sollen.
    Werner nestelte an seiner Maske herum.
    Hadi winkte ab. Nicht zu früh aufsetzen!
    »Ts, ts, ts«, machte er. »Wir wollten ja keinesfalls telefonieren.
Aber in so einem Fall?«
    Er landete auf der Mailbox von Arturs Handy. »Hallo! Melde dich! Wir
warten.«
    Um Punkt halb sieben hörten sie auf zu warten.
    Der Sturm, der sich im Westen angekündigt hatte, brachte kalten Wind
mit sich. Über den Bergen zuckten Blitze, und der Donner rollte. Einen
Augenblick lang stockte ihnen der Atem.
    »Er meldet sich nicht. Etwas muss passiert sein. Kann ja wohl nicht
sein, dass er einen Unfall hatte. Dann würde er uns verständigen.«
    Werner checkte sein Handy. Kein Anruf.
    Hadi checkte sein Handy. Auch kein Anruf.
    »Sollen wir zu zweit?«, fragte Werner mit angriffslustiger Miene.
    Das hatte Hadi schon längst überlegt. »Jetzt, wo wir schon mal da
sind«, sagte er leise, obwohl niemand außer Werner im Umkreis war. »Unser
Schiff liegt ja dort unten auch schon vor Anker und wartet.«
    Stunden später waren Hadi und Werner selbst überrascht, wie viel Mut
sie in ihrer Situation bewiesen hatten.
    Der erste Türsteher war im Nu überwältigt. Für den zweiten
benötigten sie zehn Sekunden. Moderne Betäubungsmittel wirkten im Handumdrehen,
Artur kannte sich auch in solchen Sachen aus. Er hatte die Mittel beschafft.
    Der erste Schritt hatte funktioniert. Vor ihnen lag ein langer,
breiter Flur mit Türen links und rechts. In der Mitte des Gangs führte eine
Treppe nach links oben. Vor der Treppe war – wie Artur es beschrieben hatte –
eine kleine Bar, wahrscheinlich das Empfangssekretariat. Die Bar war unbesetzt.
Das Licht der orangefarbenen Hängelampe darüber flackerte.
    Geduckt ging Hadi durch den spärlich beleuchteten Flur voran. Er kam
sich vor wie im Gangsterfilm. Doch jeder dritte Gedanke gehörte Artur. Was war
los mit ihm? Er wusste genau, dass dieses Wohlfahrtshimmelfahrtskommando nur
für ihn und sein Everl unternommen wurde. Bisher hatte er sich als zuverlässig
erwiesen. Es musste ihm wohl etwas zugestoßen sein. Etwas, das es ihm unmöglich
machte, Laut zu geben.
    Dass er kein Telefon zur Hand oder ihre Nummern verlegt hatte, war
schwer anzunehmen. Dass er ausgerechnet heute trotz allergrößter Vorsicht in
einen Unfall geraten war, der es ihm unmöglich machte, sich zu melden, war sehr
unwahrscheinlich. Darüber hinaus gab es nur eine einzige Erklärung: Er war ohne
Bewusstsein oder sonst wie hilflos! Das wiederum brachte Hadi zu der
Überzeugung, dass Arturs krankes Herz rebelliert hatte. Dass er entweder zu
Hause bewusstlos am Boden lag oder in eine Klinik eingeliefert worden war.
    Ein zweiter dröhnender Donnerschlag. Es war, als ginge die Welt
direkt über ihnen unter.
    Sie duckten sich schlagartig weg. Aus der ersten Etage kam ein
markerschütterndes Gebrüll, das nichts Menschliches hatte. Wurde da ein Schaf
geschlachtet?
    Plötzlich erloschen alle Lichter. Das gesamte Haus

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