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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Händen angefleht hatten, wenn er seine Freudenmädchen durch die Städte geführt hatte. Mitleid ergriff ihn, und er sprach:
    „Sei stark, Herr! Wende dich an deinen eigenen Willen und flehe nicht mehr zu den Göttern, denn die Gebete der Menschen rühren sie nicht. Du weinst wie ein Feigling! Demütigt es dich nicht, dass du wegen einem Weib so leidest?“
    „Bin ich ein Kind?“ gab Matho zur Antwort. „Glaubst du, dass mich das Gesicht und der Gesang eines Weibes noch rühren? Wir hatten in Drepanum genug davon. Sie fegten die Ställe. Ich hab sie besessen während des Sturmes auf Städte, unter stürzenden Dächern, und wenn die Geschütze vom Rückschlag noch zitterten! ... Doch dieses Weib, dieses Weib!“
    Der Sklave unterbrach ihn: „Wenn sie nicht Hamilkars Tochter wäre ...“
    „Nein!“ schrie Matho. „Sie hat nichts mit den anderen Töchtern der Menschen gemein! Hast du ihre großen Augen unter den großen Brauen gesehen? So leuchten Sonnen unter Triumphbögen. Erinnere dich: als sie erschien, verloren alle Fackeln ihren Glanz. Zwischen den Diamanten ihrer Halskette schimmerten Stellen ihres blanken Busens. Wo sie ging, duftete es wie nach dem Weihrauch eines Tempels, und ihrem ganzen Wesen entströmte etwas, süßer als Wein und schrecklicher als der Tod...“
    Offenen Mundes und gesenkten Hauptes stand Matho da und starrte vor sich hin.
    „Aber ich will sie haben! Ich muss sie besitzen! Sonst sterbe ich! Bei dem Gedanken, sie an meine Brust zu drücken, ergreift mich wilde Freude. Und doch hasse ich sie, Spendius, ich möchte sie schlagen! Was soll ich tun? Ich habe Lust, mich zu verkaufen, um ihr Sklave zu werden. Du warst es! Du durftest um sie sein! Erzähle mir von ihr! Jede Nacht, nicht wahr, besteigt sie das Dach ihres Palastes? Ach, die Steine müssen erbeben unter ihren Sandalen und die Sterne sich neigen, um sie zu sehen!“
    Er fiel wie in Raserei zurück und röchelte wie ein verwundeter Stier.
    Dann sang er: „Er verfolgte im Walde die Unholdin, deren Schweif sich über das dürre Laub schlängelte wie ein silberner Bach.“ Mit langgezogenen Tönen ahmte er dabei Salambos Stimme nach, während die Finger seiner ausgestreckten Hände Bewegungen machten, als spielten sie mit den Saiten einer Lyra.
    So vergingen den beiden die Nächte unter Klagen und Trostworten.
    Matho wollte sich mit Wein betäuben. Doch nach der Trunkenheit war er noch trauriger. Er versuchte, sich beim Würfelspiel zu zerstreuen, wobei er nach und nach die Goldmünzen seiner Halskette verlor. Er ließ sich zu den heiligen Hetären führen; aber schluchzend kam er den Hügel wieder herab, wie jemand, der von einem Begräbnis heimkehrt.
    Spendius hingegen wurde immer kühner und heiterer. Man sah ihn in den aus Reisig errichteten Schenken mitten unter den Soldaten reden. Er flickte alte Rüstungen aus, ließ sich als Gaukler mit Dolchen sehen und suchte aus den Feldern Heilkräuter für die Kranken. Er war lustig, schlau, beredt und hatte tausend gute Einfälle. Die Barbaren gewöhnten sich an seine Dienste. Er machte sich bei ihnen beliebt.
    Indessen warteten sie auf einen Gesandten aus Karthago, der ihnen auf Maultieren Körbe voll Gold bringen sollte. Immer wieder berechneten sie ihren Sold und malten mit den Fingern Ziffern in den Sand. Ein jeder schmiedete Pläne für die Zukunft. Die einen wollten sich Dirnen, Sklaven und Landgüter kaufen. Andere wollten ihre Schätze vergraben oder sie im Seehandel aufs Spiel setzen. Aber bei dieser Untätigkeit erhitzten sich die Gemüter. Fortwährend kam es zu Zwistigkeiten zwischen Reitern und Fußvolk, zwischen Barbaren und Griechen, und unaufhörlich gellten die schrillen Stimmen der Weiber.
    Täglich kamen Scharen fast nackter Männer an, die zum Schutz gegen die Sonne Gras auf dem Haupt trugen. Es waren Schuldner reicher Karthager, von ihren Gläubigern zum Frondienst auf den Feldern gezwungen und nun fortliefen. Libyer strömten herbei, Bauern, die durch die Steuern zugrunde gerichtet waren, Geächtete und Missetäter. Der Tross der Krämer, die Wein- und Ölhändler, wütend darüber, dass sie nicht bezahlt wurden, begannen sich gegen Karthago zu ereifern. Spendius hielt Brandreden gegen die Republik. Bald wurden die Lebensmittel knapp. Man sprach davon, vereint auf Karthago zu marschieren und die Römer herbei zu rufen.
    *
    Eines Abends, zur Stunde der Mahlzeit, vernahm man ein dumpfes, verworrenes Geräusch, das allmählich näher kam. In der Ferne, im

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