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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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unwandelbaren Geist zu erfassen, den der äußere Schein verbirgt. Etwas von der Lebenskraft der Planeten durchdrang ihn, und er empfand gegen den Tod und alle Wechselfälle des Lebens eine bewusst tiefe Verachtung. Als er sich erhob, war er heiteren Mutes, unzugänglich der Furcht und dem Mitleid; und um sich ganz frei zu fühlen, bestieg er den Söller des Turmes, der Karthago hoch überragte.
    In weitem Bogen senkte sich die Stadt nach allen Seiten: Karthago mit seinen Kuppeln, Tempeln und Golddächern, seinem Häusermeer, den hie und da dazwischen gestreuten Palmengruppen, den vielen feuersprühenden Glaskugeln. Die Wälle bildeten gleichsam die gigantische Rundung des Füllhorns, das sich vor ihm ausgoss. Er sah unter sich die Häfen, die Plätze, das Innere der Höfe, das Netz der Straßen und ganz klein die Menschen, kaum vom Pflaster unterscheidbar.
    Ach, wäre doch Hanno am Morgen der Schlacht bei den Ägatischen Inseln nicht zu spät gekommen!
    Hamilkars Blicke blieben am fernsten Horizont haften, und er streckte zitternd beide Arme aus in der Richtung nach Rom.
    *
    Die Menge füllte die Stufen zur Akropolis. Auf dem Khamon-Platz drängte man sich, um den Sufeten herauskommen zu sehen. Immer mehr Menschen bedeckten die Terrassen. Manche erkannten ihn. Man grüßte ihn. Aber er zog sich zurück, um die Ungeduld des Volkes noch mehr zu reizen.
    Unten im Saal fand Hamilkar die bedeutendsten Männer seiner Partei versammelt: Istatten, Subeldia, Hiktamon, Yehubas und andere. Sie berichteten ihm alles, was sich seit dem Friedensschluss zugetragen hatte: den Geiz der Alten, den Abzug der Söldner, ihre Rückkehr, ihre übertriebenen Forderungen, Giscos Gefangennahme, den Raub des Zaimphs, Uticas Entsetzung und abermalige Belagerung. Niemand aber wagte ihm die Ereignisse zu berichten, die ihn persönlich betrafen. Schließlich trennte man sich, um sich bei Nacht in der Versammlung der Alten im Molochtempel wieder zu sehen.
    Hamilkar war kaum allein, als sich draußen vor der Tür Lärm erhob. Trotz der Abwehr der Diener versuchte jemand einzudringen, und da der Tumult zunahm, befahl der Sufet, den Unbekannten hereinzuführen.
    Es erschien ein altes Negerweib, bucklig, runzlig, zitterig, blöd dreinblickend und bis zu den Sohlen in weite blaue Schleier gehüllt. Sie trat vor den Sufeten, und beide blickten sich eine Weile an. Plötzlich erbebte Hamilkar. Auf einen Wink seiner Hand gingen die Sklaven hinaus. Alsdann gab er der Alten ein Zeichen, leise mitzukommen, und zog sie am Arm in ein abgelegenes Gemach.
    Sie warf sich zu Boden, um seine Füße zu küssen. Er riss sie heftig wieder hoch. „Wo hast du ihn gelassen, Iddibal?“
    â€žDa drüben, Herr!“
    Die Gestalt warf ihre Schleier ab, dann rieb sie sich mit dem Ärmel das Gesicht. Die schwarze Farbe, das greisenhafte Zittern, der krumme Rücken, alles das verschwand. Jetzt stand ein kräftiger alter Mann da, dessen Haut von Sand, Wind und Meer wie gegerbt aussah. Auf seinem Haupt ragte ein Büschel weißer Haare hoch, wie der Federstutz eines Vogels. Mit einem spöttischen Blick wies er auf die am Boden liegende Verkleidung.
    â€žDas hast du gut gemacht, Iddibal! Sehr gut!“ Und ihn mit seinem scharfen Blicke schier durchbohrend, fragte Hamilkar: „Es ahnt doch keiner etwas?“
    Der Alte schwur bei den Kabiren, dass das Geheimnis bewahrt sei. „Nie“, so sagte er, „verlassen wir unsre Hütte, die drei Tagereisen von Hadrumet fern liegt. Der Strand ist dort nur von Schildkröten bevölkert, und Palmenbäume wachsen auf den Dünen. Und wie du befohlen hast, Herr, lehre ich ihn Speere werfen und Gespanne lenken.“
    â€žEr ist kräftig, nicht wahr?“
    â€žJawohl, Herr, und auch beherzt! Er fürchtet sich weder vor Schlangen, noch vor dem Donner, noch vor Gespenstern. Barfuß wie ein Hirtenbub läuft er am Rande der Abgründe hin.“
    â€žErzähl mir mehr! Sprich!“
    â€žEr erfindet Fallen für die wilden Tiere. Vorigen Mond – wirst du es glauben? – hat er einen Adler gefangen. Er brachte ihn hinter sich hergeschleppt, und die großen Blutstropfen des Vogels und des Kindes fielen wie abgeschlagene Rosen. Das wütende Tier schlug mit seinen Flügeln um sich. Der Junge erwürgte es an seiner Brust, und je matter es wurde, umso lauter und stolzer erscholl sein Lachen –

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