in Form von diversen Hautabschürfungen. Die meisten waren weiß, einige waren hellrosa und bei manchen schimmerten sogar kleine Tröpfchen hellroten Bluts durch. Ich verwüstete seinen Körper, der danach bei Gott kein schöner Anblick mehr war. Wenn dieser feine Herr verheiratet ist, dachte ich, dann hat er am Abend ein Problem.
»Das war’s«, sagte ich, als ich fertig war. »Ich hoffe, es war schön für Sie.«
Mit einem tiefen Seufzer erhob er sich.
»Das war die schönste Massage, die ich in meinem Leben je bekommen habe. Ich danke Ihnen.«
Ich kniff unwillkürlich die Augen zusammen, als er sein eng anliegendes weißes Unterhemd über die zerschundene Haut zog. Er lächelte und sah dabei vornehm und unerreichbar aus.
5
JUNI 2009. »So ist das also. Du bist eine Hure.«
Ein paar Stühle polterten über den glatten Parkettboden. Mario war außer sich.
»Du bist nichts anderes als eine billige Nutte.«
Er schleuderte einen Packen Zettel und Fotos quer über den Esstisch. Die Hälfte davon rutschte auf den Boden.
Ich hatte meine Kinder noch nie so erschrocken gesehen. Es war kaum auszuhalten. Verstört und entsetzt starrten sie abwechselnd mich und ihren Vater an. Aus ihren Augen drangen leise, verzweifelte Hilfeschreie.
»Georg, Anke, bitte geht in euer Zimmer. Papa ist wütend.«
Die beiden verschwanden ohne weitere Aufforderung leise die Treppe hinauf. Anke drehte sich am obersten Absatz noch einmal um und sah zu mir herunter – dieses kleine hübsche Mädchen mit den strahlenden Augen, das so viel Kraft und Mut hatte, so viel Lebenswillen, und das noch nichts von den Abgründen dieser Welt ahnte, die sich mitten durch ihre eigene Familie zogen. Ich wusste, dass ich den Blick, mit dem sie mich ansah, nie wieder vergessen würde.
»Schau dir die Fotos an«, brüllte Mario. »Wer bitte sind diese Typen? Kannst du mir das vielleicht erklären?«
Auf den Fotos war ich mit diversen Kunden zu sehen. Im Auto, auf der Straße, am Weg ins Hotel. Es war auch ein Foto dabei, auf dem ich Linnerth küsste. Es war ein kleiner Querschnitt durch das Leben einer Mutter, die in einem nicht mehr zu überbietenden Ausmaß versagt hatte. Es war ein Dossier, das alle Schuldfragen ein für alle Mal klärte und das keinen Raum mehr für Beschönigungen ließ. Ich hatte mich in Gedanken daran vorbeizustehlen versucht, aber die Wahrheit lautete: Ich war eine Hure. Ich hatte einen Hurennamen und verkehrte in Hurenabsteigen. Zulassung hatte ich noch immer keine, doch das machte bloß den Unterschied aus, dass ich keine legale, sondern eine illegale Prostituierte war.
Stumm sah und hörte ich Mario zu. Zuerst tobte er wegen Linnerth und nannte ihn einen Hurenbock. Dann schrie er mir Details aus meinen Verabredungen in Wien entgegen, als ginge es ihm gar nicht darum, mich zu überführen, sondern darum, sich selbst vor Augen zu halten, dass wirklich stimmte, was offensichtlich war.
»Du bist eine Hure«, brüllte er immer wieder, aber in unserem nach wie vor nach Tannenholz duftenden Wohnzimmer war dieser Satz einfach zu monströs, um wie die Wahrheit zu klingen.
Er wusste verblüffende Details darüber, wen ich wann und wo getroffen hatte, und dazu legte er auch noch E-Mails und SMS-Nachrichten meiner Kunden vor, in denen sie schrieben, was sie mit mir zu tun gedachten.
»Bist du von allen guten Geistern verlassen?«
Wie wild fuchtelte er vor mir in der Luft herum.
Während er mit rot angelaufenem Gesicht seiner Wut freien Lauf ließ, überlegte ich nüchtern. Ich war unglaublich leichtsinnig gewesen. Derartige E-Mails von einem Computer aus zu schreiben und zu empfangen, den mein Mann ebenfalls nach Lust und Laune benutzen konnte, war schlicht und einfach dumm gewesen. Genauso dumm wie mein altes Handy zu benützen. Beidem war einfach abzuhelfen. Ich würde mir einen GMX-Account zulegen. Warum hatte ich das nicht schon längst getan?
[email protected] . Ich wusste, dass es Huren so machten.Sie verwendeten für ihre E-Mail-Adresse ihren Künstlernamen und das Geburtsjahr, das wirkliche oder das erfundene. Wenn ich schon eine Hure war, wieso sollte ich dann nicht auch professionell wie eine agieren? Ich würde mir außerdem ein zweites Handy mit Wertkarte besorgen. So viel Investition würde sich auszahlen.
Vor Dingen wie dem roten Ford würde ich aber auch in Zukunft nicht gefeit sein. Der Wagen war mir die ganze Zeit über nicht aufgefallen. Marios Freunde waren mir darin seit Langem gefolgt. Heinz hatte die Aktion