Sally
koordiniert. Auf die Idee, dass sich Mario und sein Busenfreund so etwas einfallen lassen und dann mit offensichtlich beträchtlichem Aufwand durchziehen würden, wäre ich in meinem schlimmsten Albtraum nicht gekommen. Sie hatten mich mit einer Professionalität bespitzelt, die ich ihnen gar nicht zugetraut hätte. Sie hatten sogar einen Sender in mein Auto eingebaut und aus allen ihnen vorliegenden Informationen eine detaillierte Chronologie meines Doppellebens hergestellt. Wenn sie diese Energie in einen seriösen Job investiert hätten, hätten sie es vermutlich weit gebracht.
»Ich bekomme Geld dafür, Mario«, sagte ich ruhig. »Ohne dieses Einkommen säßen wir schon längst auf der Straße. Mach die Augen auf, dann siehst du, dass ich recht habe.«
»Du Nutte!«, brüllte er. »Spinnst du jetzt völlig? Was fällt dir ein? Du drehst total durch. Jetzt habe ich auch noch eine Nymphomanin als Frau!« Er raste. »Ich werde es deiner Mutter erzählen. Anke, Georg kommt sofort herunter!«
»Lass die Kinder in Ruhe.«
»Die Kinder fahren jetzt mit mir zur Oma«, beharrte er, »und der werde ich alles über ihre Supertochter sagen. Über diese Supertochter, die immer alles kann und nie etwas falsch macht.«
Ich blickte ihn unbewegt an.
»Mario«, sagte ich, »bitte denke doch einmal ganz ruhig nach. Du hast im letzten halben Jahr keinen Cent verdient. Nicht einen lächerlichen Cent. Was glaubst du denn, wer deine Sozialversicherung bezahlt hat? Die Raten für das Haus und das Leasingauto? Das war ich. Ich habe das alles bezahlt. Ich habe die ganze Zeit über allein die Familie erhalten.«
Jetzt zitterte meine Stimme doch. Ich war in eine Falle getappt. Mein eigenes Heim, mein Zuhause war plötzlich ein Käfig für mich, aus dem es kein Entkommen gab. Ich fühlte mich verraten und verkauft. Wenn meine Eltern auch nur ein Sterbenswörtchen von meiner neuen »Arbeit« erfahren würden, wäre das nie wieder gutzumachen. Sie würden entsetzlich schockiert und enttäuscht sein, und das wäre das Allerschlimmste für mich. Noch schlimmer, als wenn meine Kinder in vollem Umfang verstanden hätten, was ich an Dienstagen in der Stadt tat. Am liebsten hätte ich einfach die Flucht ergriffen und wäre bis ans Ende der Welt gerannt. Verdammt, wieso war ich in jener Nacht nicht gegen einen Baum gefahren?
Immer noch unbewegt stand ich da. Mario würde jetzt erst recht nicht zu mir halten, das war klar. Er war getrieben von seinem Stolz, seinen Illusionen und seinen Freunden. Die nackte Angst drohte mich zu übermannen. Er würde seine Drohung wahr machen, würde meinen Eltern alles erzählen. Ich durfte mir nichts anmerken lassen. Es sollte so aussehen, als könnte ich seinen Drohungen standhalten. Dabei fühlte ich mich winzigklein und er war groß und sogar schön in seinem Zorn. Wie hatte alles nur so schieflaufen können? Auf einmal fühlte ich mich schmutzig und wünschte mir nichts mehr, als dass Mario mich einfach in den Arm nehmen und mir sagen würde, dass erjetzt endlich auch die Ärmel hochkrempeln würde. Stattdessen schnappte er sich meinen Computer.
»Den kannst du jetzt vergessen«, schrie er. »Und das Auto nehme ich dir auch weg.«
Jetzt bewegte ich mich doch. Ich sprang auf und versuchte verzweifelt, ihn aufzuhalten. Mario packte mich brutal an den Handgelenken. Ich befreite mich aus seinem Griff. Die Haut brannte über meinen Knöcheln.
»Du tust mir weh. Hör bitte auf, Mario. Wenn ich kein Geld verdiene, haben wir doch nichts. Kapierst du das nicht?«
Meine Tränen schmeckten bitter. Plötzlich ging alles sehr schnell. Er packte mich an der Kehle und schüttelte mich wie besinnungslos. Ich wehrte mich heftig, aber er ließ nicht locker. Wie eine Puppe hing ich zwischen seinen kräftigen Händen. Ich bekam keine Luft mehr. Meine Finger umkrallten seinen kräftigen Bizeps. Ein, zwei Nägel brachen ab, dann konnte ich nichts mehr hören. Dumpf hallte es in meinem Kopf wider und alles drehte sich im Kreis. Gleich darauf setzte wie auf Knopfdruck ein irrer Lärm ein. Der Druck von Marios Händen ließ nach und ich taumelte, kippte endlich seitlich nach hinten und schlug mit der linken Kopfseite gegen die Tischkante, während er mit der geballten Faust auf mein Gesicht zielte.
Hoffentlich schlägt er mir die Zähne nicht aus, war mein einziger Gedanke. Alles andere, eine gebrochene Nase, ein blaues Auge, ein Cut würde wieder heilen, aber meine Zähne würden nie mehr nachwachsen. Ich wollte schreien,
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