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Sally

Sally

Titel: Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Päsler
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Jasminduft, der sich über alles gelegt hatte. Irgendetwas schien sich hier zu verselbständigen.
    Ich schloss die Augen, während ich ihn weiter bearbeitete. Er leckte über meine Lippen und öffnete sie mit den seinen. Wir küssten uns. Ich spürte seine Zähne an meine stoßen, suchteseine Zunge. Die ungestüme Vehemenz seiner Gegenwart begegnete mir wie eine Naturgewalt. Mein Mund wurde ganz weich. Mein Herz raste und versuchte, sich in Sicherheit zu bringen, aber mein Körper ergab sich diesem Mann. Ich stimmte in seinen irren Gesang ein und vergaß alles um mich herum. Doch ein Rest Vernunft war mir noch geblieben. Schluss damit, dachte ich. Sofort Schluss damit. Thomas versuchte gerade, mich ohne Gummi zu ficken. Und ich kannte ihn überhaupt nicht. Ich wollte ihn von mir herunterstoßen, aber er packte mich an den Haaren und zog meinen Kopf in den Nacken, während er in mich eindrang. Er tat es kraftvoll, bestimmt und doch behutsam. Keinen Laut gab er dabei von sich. Plötzlich war alles still um uns. Er sah mich an, als ich vor ihm kam.
    »Heirate mich«, sagte er.
    Wir waren der Realität entrückt. Ich hatte mit diesem Fremden geschlafen, ungeschützt und bar jeder Vernunft. Ich hätte mir dabei den Tod holen können, ich hatte das gewusste, aber in diesem ekstatischen Zustand war es mir vollkommen gleichgültig gewesen. Auch danach spielte nichts eine Rolle. Wir waren nicht mehr länger eine Hure und ihr Freier. Das hier war etwas anderes und es war mehr als nur ein sexueller Rausch.
    »Was hast du eben gesagt?«
    Das Blut pulsierte zwischen meinen Beinen, mein Körper zuckte, meine Haut spannte sich, meine Seele glühte und mein Herz schlug einen Salto.

2
    APRIL 2010. Ich strahlte. Meine Haut fühlte sich weich an. Ich glaubte ihm nicht, dass er Arzt war, aber das spielte keine Rolle. Die Ärzte, die ich in meiner Zeit im Krankenhaus kennengelernt hatte, waren genau das Gegenteil von ihm gewesen. Sie hatten alle eine gewisse Souveränität und Ruhe an den Tag gelegt. Im Falle von Thomas fand ich es sogar sympathisch, dass er sich interessant machen wollte.
    »Als Arzt arbeitest du also. Aha.«
    Ich sah Thomas beim Ankleiden zu. Er richtete sich tollpatschig die Haare. Die sportlichen, bemüht jugendlichen Sachen hätten auch seinem Freund aus der WG gehören können, so ganz passten sie ihm jedenfalls nicht. Unser Gespräch war jetzt betont förmlich.
    »Ja, genau«, sagte er. »Ist ja nicht weit von hier.«
    Mit dem Kopf deutete er in Richtung des Krankenhauses, das in der Nähe lag.
    »Ich komme bald wieder.«
    Er lächelte schüchtern. Seine Stimme klang sanft. Der Löwe war wieder in seinem Käfig.
    Sex ohne Kondom war eindeutig gegen die Regeln gewesen. Wenn Thomas Arzt war, dann war ich Mutter Theresa. Welcher Arzt hätte sich freiwillig auf so einen Leichtsinn eingelassen? Vermutlich war er nicht einmal Krankenpfleger. Auch dann hätte er die Folgen von ungeschütztem Verkehr gut genug kennen müssen, um sich im Griff zu haben.
    Ich jedenfalls war mir der Gefahr durchaus bewusst. Was war bloß in mich gefahren? Wenn ich mich infiziert hatte, was wurde dann aus meinen Kindern? Ich war verdammt verantwortungslos und unprofessionell gewesen. Rasch zog ich mich wieder an und wich dabei seinem Blick aus. Auf einmal schämte ich mich. Und was sollte das mit dem Heiraten? Heilige Worte aus dem Mund dieses angeblichen Herrn Doktor.
    Mein Schädel fühlte sich an, als wäre er mit einer trägen Flüssigkeit gefüllt. Aber obwohl ich meinen klaren Kopf verloren hatte, war ich dennoch ganz bei mir. Es durfte eigentlich nicht sein, aber zum ersten Mal seit Langem fühlte ich mich einfach nur wohl.
    »Ich würde wirklich gerne wiederkommen, wenn das für dich in Ordnung ist«, sagte Thomas sanft.
    Verwirrt sah ich auf die Uhr statt in den Kalender.
    »Geht es gleich morgen?«, fragte er.
    Zwei Stunden war er heute hier gewesen. Dreihundert Euro. Der Gedanke an das Geld erdete mich wieder. Ich schaltete mein Hirn auf Job-Modus und gab Thomas einen Termin.
    »Okay, morgen fünfzehn Uhr«, bestätigte er.
    Das Geld lag auf der Kommode. Na also, er kannte sich offenbar aus. Dreihundert Euro, ein wirklich hübsches Sümmchen. Vielleicht war er Bettenfahrer im Krankenhaus und hatte gerade sein Urlaubsgeld bekommen. Das war im April beim städtischen Personal durchaus möglich. Ich wusste das von anderen Kunden, die auch solche Details erwähnten, wenn sie mit ihren tollen Jobs, Autos, Häusern und manchmal sogar

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