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Sally

Sally

Titel: Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Päsler
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darauf zu sprechen kam, konterte er mit Vorwürfen. Dass ich mich hinter seinem Rücken Männern für Geld angeboten hatte, schien ihn dabei weniger zu kränken als meine Affäre mit Linnerth. Von keinem Mann fühlte ich mich so sehr wie eine Hure behandelt wie von Mario.
    Das Problem war die Liebe. Sie machte Schwierigkeiten und sie machte schwach. Sie war die reinste Katastrophe. Ich schwor mir, mich nie wieder zu verlieben, auch nicht, wenn ich mein Leben wieder in Ordnung gebracht haben würde. Ich würde nie wieder einem Mann gestatten, mir und meinen Kindern zu nahe zu kommen. Ich würde den Kopf hoch tragen und meinen Weg gehen, ohne nach links oder rechts zu schauen.
    Besonders schmerzhaft fühlte es sich im Frühling an, dessen erste Boten ich an einem Dienstag entdeckte, an dem ich mich noch ausgelaugter und überarbeiteter fühlte als sonst. DieForsythien zeigten ihren ersten gelben Schimmer, die Sonne schien und die Menschen waren freundlicher. Der Schneeberg, die höchste Erhebung bei uns in der Gegend, thronte majestätisch im Hintergrund, als ich die Autobahnauffahrt nahm. Die Sicht war klar und der Himmel strahlte hellblau. Das Leben könnte schön sein, dachte ich. Ich musste an unsere Familienausflüge denken, die wir unternommen hatten, als ich noch klein war. Im April durfte ich meistens schon einen Rock tragen. Vorausgesetzt das Thermometer am Küchenfenster zeigte mindestens achtzehn Grad. Jeden Morgen sah ich noch im Schlafanzug nach, ob es schon so weit war. Meine Mutter hatte einen Rock mit buntem Blumenmuster für mich genäht. Von welcher Zukunft hatte ich damals eigentlich geträumt? Ich konzentrierte mich darauf, nicht zu weinen. Ich hatte gerade mit viel Aufwand mein Make-up perfektioniert. Ich wollte es nicht ruinieren.
    An diesem Nachmittag hatte ich drei Kunden. Der letzte hatte sich für siebzehn Uhr angemeldet und läutete pünktlich an meiner Tür. Danach würde ich heimfahren, wo der andere Teil meiner Arbeit wartete. Denn die Arbeit ging mir nie aus. Sie war mir treu. Das hatte auch etwas Beruhigendes.
    In seiner E-Mail hatte sich mein Siebzehn-Uhr-Termin als Thomas vorgestellt und ganz nett gewirkt. Obwohl er zum ersten Mal kam, drückte ich deshalb ohne vorherigen Blick nach unten auf den Türöffner und lehnte die Wohnungstür nur an. Seit einem halben Jahr machte ich das nun schon so. Unglaublich, wie schnell die Zeit verging. Das war bei meinem Tagespensum aber eigentlich kein Wunder.
    Ein jüngerer Mann mit mittellangen schwarz gekräuselten Haaren betrat in legeren Turnschuhen die Wohnung. Er wirkte auf mich fast ein wenig wie ein verwirrter Student. Um seinen Oberkörper mit den hängenden Schultern schlabberte lose eine viel zu weite Jacke. Sein Gesicht war blass und seine ganze Gestalt seltsam farblos. Mit eingezogenem Nacken stand das zierliche Männchen vor mir und wagte nicht, mich anzusehen oder weiterzugehen. Stattdessen fixierte er mit einem ängstlichen Lächeln die Tür zum Massagezimmer.
    Ich räusperte mich. Wie genau sollte ich bei diesem armen Kerl vorgehen? Besser nichts überstürzen.
    »Willst du duschen?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, kramte ich im zweckentfremdeten Küchenschrank zwischen Bettlaken und einem Vibrator ein Handtuch hervor. Er nahm es artig. Beinahe hätte ich ihm einen Klaps auf den Hintern gegeben, doch er setzte sich auch so in Bewegung. Als er im Badezimmer verschwand, hatte er seine Schuhe noch an. Obwohl mir der Mann mehr als seltsam vorkam, rührte er mich.
    Mit seinen Klamotten unter dem Arm erschien er splitterfasernackt und frisch geduscht im Massageraum. Wortlos warf er die Kleider neben den stummen Diener, den ich für die Garderobe der Herren aufgestellt hatte.
    »Thomas, nicht wahr?«
    Er nickte.
    Seine Brusthaare kräuselten sich dicht und dunkel. Die Haut darunter war fast durchscheinend weiß. An seinen Unterarmen traten zarte Adern hervor. Er hat etwas Jungenhaftes.
    »Bitte hier.«
    Mit der Hand deutete ich auf das Massagebett. Öl und Kerzen standen bereit. Wieder gehorchte er wortlos. Er wirkte dabei unbeholfen. Ich machte mich darauf gefasst, dass er gleich nach meiner ersten Berührung verstört das Weite suchen würde.
    »Mach es dir in Bauchlage bequem«, sagte ich vorsichtig.
    Als ich mich auszog, hob er den Kopf und sah mir mit ernstem Blick zu. Mit seinen Augen verfolgte er jede einzelne meiner Bewegungen. Er fixierte mich so, wie mich Bobby fixierte, wenn ich ein Stück Wurst in der Hand hatte. Zum ersten Mal

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