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Sally

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Titel: Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Päsler
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prinzipiell etwas dagegen, aber ich frage mich, was dieser Lebensentwurf eigentlich bringen soll. Er eröffnet neue Möglichkeiten, gut, aber die Frauen, die diese Möglichkeiten nützen, werden selten glücklich. Letztlich verlangt so ein Leben uns Frauen einen täglichen Spagat zwischen Job und Familie ab. Viele warten dann mit dem Kinderkriegen so lange, bis es zu spät ist. Für mich bestand Selbstverwirklichung immer in genau meiner Art, zu leben. Ich liebte es, für die ganze Familie zu kochen. Im Sommer aßen wir manchmal draußen im Garten und als McDonald’s in unserer Nähe eine neue Filiale aufmachte, fuhren wir an Sonntagen manchmal mit den Kindern hin.Meine Ehe war mir heilig und ich war meinem Mann treu. Das hatte ich mit Gott so vereinbart. Mit meinem Gott, der mich niemals nach den Kriterien des Zeitgeistes bewertete, für mich da war und immer auf mich aufgepasst hatte, auch damals, als ich als Kind krank gewesen war.
    Wir schrieben das Jahr 2008, und wenn die Zeitungen über das Ende der Ehe als Institution, den Zerfall der bürgerlichen Mittelschicht oder das Ende der guten Jahre für die Wirtschaft unkten, dann ging uns das nichts an. Wir waren als Familie sicher und abgeschirmt von dieser Welt, in der so vieles schieflief. Wenn seit einiger Zeit Vokabeln wie Finanzmarktkrise fielen, fühlten wir uns nicht angesprochen. Amerika war so weit weg. Die Alarmglocken mochten an der New Yorker Wall Street klingeln, bei uns daheim läuteten friedlich die Kirchenglocken. Die deutschen Landesbanken waren wegen Fehlspekulationen am US-Immobilienmarkt in die Krise geraten – na und? Während in England besorgte Kunden Bankschalter stürmten, um ihr Geld zu sichern, fühlten wir uns in unserer Idylle sicher. Die Probleme da draußen, das waren Probleme von Menschen, die vielleicht zu viel vom Leben wollten und das Glück im Kleinen übersahen. Wir kümmerten uns nicht darum. Aber vermutlich hätten wir es tun sollen. Ich zumindest.

HÄNDEDRUCK
    DIENSTAG, 20. OKTOBER 2009, 12:30 UHR. Wir trafen uns in einem Luxushotel. Er hatte mich über den Hostessen-Index kontaktiert, wir hatten per E-Mail eine erotische Massage vereinbart und er hatte mir einen Link mit den genauen Koordinaten samt Wegbeschreibung geschickt. Disziplin und Kontrolle waren die Worte, die mir sofort einfielen, als mir der Mann im grauen Mantel zur Begrüßung die Hand entgegenstreckte.
    »Werner Weber, guten Tag«, stellte er sich förmlich vor, als wäre ich seine Steuerberaterin. Dabei sah er durch mich hindurch.
    Ich nahm seine Hand und lächelte. Es war das erste Mal, dass ein Freier seinen vollen Namen nannte. Weber hatte eine schmale Nase und alles an dem Mann war aufrecht und gerade. Seine Haltung war stolz, sein Anzug saß korrekt, seine Figur war makellos, die Haare trug er streng zurückgekämmt und seine Nägel waren kurz und sauber. Er wirkte auf eine adrette Weise nett und machte auf mich den Eindruck, als hätte er sein bisheriges Leben einzig mit Büchern geteilt.
    Er war schon vor mir im Hotel gewesen und nach dem Händedruck fuhren wir schweigend mit dem Lift in den zweiten Stock. Mit einer Magnetkarte öffnete er das Zimmer 215. Drinnen zog er sich sofort aus, legte, ohne mich ein einziges Mal anzusehen, seine Sachen ordentlich auf einen Stuhl und verschwand in der Dusche. Auch als er zurückkam und sich aufs Bett legte, verhielt er sich, als wäre er alleine im Zimmer.
    Ich räusperte mich.
    »Darf ich mit der Massage beginnen?«
    »Legen Sie sich bitte einfach nackt auf mich. Geht das?«
    Er sagte das höflich, aber bestimmt, als würde er den Kellner nach einem Salzstreuer fragen.
    Eine kleine Ewigkeit lang musste ich nur so daliegen. Seine Haut wurde allmählich heiß und schließlich feucht. Kleine Schweißtropfen rannen seitlich von seinem Rücken auf das Laken. Seine Armbanduhr hatte er abgenommen und neben sich auf das Bett gelegt. Er ließ sie nicht aus den Augen, während wir wortlos aufeinanderklebten.
    »Jetzt können Sie mit der Massage anfangen«, sagte er nach zehn Minuten. »Bitte berühren Sie mich dabei keinesfalls an den Brustwarzen, am Gesäß oder in der Intimzone.«
    »Einverstanden.«
    »Ich würde sonst sofort kommen«, fügte er erklärend hinzu.
    Ich streichelte sanft über seinen Rücken und benützte dabei wie immer viel Öl, meine Hände, meine Brüste und meinen ganzen Körper. Er gab keinen Laut von sich, sondern fixierte weiterhin die Zeiger seiner Uhr. Es war ganz still im Raum. Als ich

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