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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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so wie umgekehrt viele in der Priesterschaft sich auf sie verlassen hatten, und trotz ihrer Enttäuschung über die modernen Amerikaner hielten sie weiter Ausschau nach menschlicher Hilfe. Dieser merkwürdige Vogel, der aussah wie eine Kreuzung zwischen einem Cherubim und einem Teufel und sich gebärdete wie eine Kreuzung aus einem steinernen Götzen und einem Teekessel, war eine riskante Möglichkeit, aber die einzige, die sie hatten.
    Doch dann tauchte Ellen Cherry Charles auf.
     
    Im hintersten Winkel des düsteren Kellers der St. Patrick’s Cathedral, in der dunkelsten Grotte dieses Riffs aus Marmor und Granit, dieses Atolls, das wohlhabende Fromme erdacht hatten und in dessen steinerner Umwallung Schuld und Sehnsucht mannigfach eingeschlossen lagen; an diesem Plätzchen, so finster und tief, dass kein Gebetsstrahl je dorthin vorgedrungen war, und auch keine Nonne, um heimlich den Boogaloo zu tanzen; in der Geborgenheit weicher Schatten, geschützt vor den messerscharfen Flammen der Votivkerzen und dem Feuerwerk der Blitze, das aufflammte, wenn frisch getraute Ehepaare oder frisch verstorbene Prominente ihren Abgang durch die himmelweiten Portale antraten; dort unten, wo Gottes Ungeziefer, das mit Gewalt aus der Gemeinde ausgeschlossen worden war, sich seiner dumpfigen Gastfreundschaft erfreute; dort, in einer alles umfassenden, sozialistischen Finsternis, die die Rechte individueller Farben um «eines höheren Zweckes» willen unterdrückte – dort rückten Painted Stick und Conch Shell zu einer geheimen Besprechung eng aneinander. Oder war es eine Umarmung?
    «Was glaubt ihr, was die beiden treiben, wenn sie sich so verdrücken», hatte Dirty Sock einmal gefragt. «Geht da irgendwas
Himm
-lisches ab, wie sie sagen würden, oder», und damit grinste er zu Spoon hinüber, «ist es einfach nur S-e-x?»
    «Wo ist der Unterschied?», hatte Can o’ Beans gefragt.
    «Nirgendwo, was Sie betrifft. Sie kennen ja nicht mal Ihr eigenes Geschlecht.»
    «Ich habe zufällig beide. Also zwei mehr als Sie, möchte ich behaupten. Im Übrigen ist Geschlecht nicht dasselbe wie Sex», gab er/sie verstimmt zurück.
    «Ganz recht, Sock», flötete der Löffel dazwischen. «Dass Sie rein technisch gesehen mal einen Partner hatten, heißt noch lange nicht, dass Sie Erfahrung in fleischlichen Angelegenheiten haben.»
    «Aber Sie, nehme ich an?», hatte Mr. Sock anzüglich grinsend erwidert.
    «Ganz gewiss nicht!», protestierte sie, und falls sich dabei irgendeine Erinnerung an Pudding – seine wackelnde Oberfläche, seine aufreizenden Bewegungen – in ihr regte, so läuterte sie diese auf der Stelle von allen denkbaren erotischen Konnotationen, indem sie erklärte, sie habe der Heiligen Jungfrau gedient und würde sich wohl für das Zölibat entscheiden, wenn sie zu jenen belebten Objekten gehörte, für die eine solche Entscheidung mehr als eine rein akademische Frage wäre.
    An diesem Punkt hätte Can o’ Beans Dirty Sock natürlich vorhalten können, dass er nur eifersüchtig auf Painted Stick war, doch dann erinnerte er/sie sich daran, dass er/sie in der ewigen Schuld der Stinksocke stand, und verwarf den Gedanken. «Mr. Sock ist nicht bösartig, sondern nur schlecht gelaunt», sagte er/sie sich, «und während Bösartigkeit ein Ausdruck von Empfindungslosigkeit ist, zeugt schlechte Laune lediglich von Unzufriedenheit.»
    Doch um auf die Gegenwart zurückzukommen: Was immer die uralten Fetische in ihrer lichtlosen Ecke auch anstellten, geschützt vom angewinkelten Hundebein eines seit langem erkalteten Heizkessels, Can o’ Beans musste sie stören. Zu aufgeregt, um Diskretion zu wahren, platzte er/sie mit der Neuigkeit heraus, dass sie Mrs. Charles entdeckt hätten, und bat die beiden, auf der Stelle zum Gitter zurückzukommen.
    «Ist sie noch da?», rief die Dose, als er/sie näher wackelte.
    «O ja», erwiderte Spoon. «Sie beobachtet ihn. Sie scheint wie in Trance.»
    «Das ist sie», sagte Can o’ Beans und deutete mit seinem/ihrem zerquetschten und ausgebeulten Rand in Ellen Cherrys Richtung. «Sie kannte uns alle drei, Miss Spoon sogar sehr intim. Und sie ist Künstlerin, nicht eine von den üblichen orthodoxen jungen Frauen. Wenn wir wirklich das Risiko eingehen müssen, Kontakt zu Menschen aufzunehmen, könnte ich mir keine geeignetere Kandidatin vorstellen als sie. Ich meine, was wissen wir denn schon über den komischen Vogel da drüben?»
    «Ist es die auf den Stufen? Die Hübsche mit der traurigen

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