Salomes siebter Schleier (German Edition)
manchmal die Treppe hinab und in die Fänge eines der vielen Geschäftemacher dort unten zu schwemmen; und wenn die Menge von ihr abließ, übernahm der Wind ihre Funktion, denn der November war mit vorwärtsstürmenden Kristalltruppen in Manhattan eingefallen. Dennoch blieb sie stehen, die Hände in den Manteltaschen, die Beine gespreizt, bis sie das Gefühl hatte, dass die Vorstellung jeden Augenblick enden würde, und hastig verschwand, diesmal ohne eine Spende zu hinterlassen. Falls sie ihn tatsächlich mit ihrer Großzügigkeit beleidigt hatte, wollte sie dieser Kränkung den Stachel nehmen. Außerdem konnte sie sich ohne die finanzielle Unterstützung Boomers, der alles in sein Loft und in seine Ausstellung gesteckt hatte, und bei den Trinkgeldern im I & I, die so selten waren wie Perlen in Knallbonbons, Großzügigkeit überhaupt nicht leisten.
Beim Weggehen sorgte sie sich einen Augenblick um seine Gesundheit (er trug jetzt einen Schal und wollene Fäustlinge, aber weder Pullover noch Mantel), sagte sich jedoch, dass er wahrscheinlich schon auf der Straße gestanden hatte, bevor sie ihn kannte, und dass es ziemlich anmaßend war, anzunehmen, sein Überleben könnte in irgendeiner Weise von ihr abhängig sein. Ohne sich noch einmal umzusehen, überquerte sie die Fifth Avenue in Richtung der IRT Station an der Ecke Seventh Avenue und Fiftieth Street.
Als sie im Gestöber von Streusand und Schneeflocken verschwunden war, die sich gegenseitig im Wind aufrieben, wirkten Spoon und Can o’ Beans ein wenig bedrückt. «Machen Sie sich nichts daraus», drängte Conch Shell. «Haben Sie Geduld.»
«Ja, Mr. Can o’ Beans», seufzte Spoon. «Wir sollten wirklich geduldiger sein. Wozu die Eile? Schließlich sind wir Objekte, vergessen Sie das nicht. Außerdem, selbst falls Miss Charles uns helfen kann, nach Jerusalem zu kommen – die letzten Nachrichten, die uns von dort erreichten, berichteten von schweren Auseinandersetzungen.»
«Das war doch vor Wochen, als wir uns noch durch die Außenbezirke kämpften. Die Radios, die hier vorbeikommen, bringen nichts anderes als Rap. Und der klingt immer, als würde jemand ein Reimlexikon in einen Popcornröster stecken.»
«Und sie gleichzeitig beide einem Wachhund in den Arsch schieben», grunzte Dirty Sock dazwischen.
Unwillkürlich gluckste Can o’ Beans in sich hinein.
Spoon ignorierte die rüde Ausdrucksweise. «Nun, ich bin sicher, dass sich an der Gefahr in Israel nichts geändert hat. Ich jedenfalls reiße mich nicht darum, in eine dieser gewalttätigen Demonstrationen zu geraten. Ich kann warten. Wir haben einen weiten, sehr weiten Weg hinter uns, und wie unsere Führer sagen: Wir können eine Verschnaufpause gut gebrauchen. Vor allem Sie, Ma’am/Sir.»
«Zweifellos haben Sie recht, Miss Spoon. Alles deutet darauf hin, dass der Dritte Tempel noch nicht mal auf dem Reißbrett existiert, dass noch Jahre, vielleicht Jahrzehnte bis zu seiner Entstehung vergehen können. Und welche Rolle könnten wir schon spielen, wenn wir bei seiner Errichtung anwesend wären? Ihnen, Mr. Sock und mir geht es ja nur um die Reise. Aber auf die würde ich trotz allem ungern verzichten.»
«Wir werden auf gar nichts verzichten, Sie Dummchen. Haben Sie Vertrauen in unsere Führer. Und entspannen Sie sich.»
«Wenn Sie meinen», sagte die Bohnendose. Dann schob sie ihre deformierte Gestalt näher an das Gitter und sah traurig, sehnsüchtig auf die verstopfte, lärmende Straße hinaus, wo die Dämmerung Ellen Cherry verschluckt hatte.
Can o’ Beans wusste etwas, das Spoon nicht wusste. Er/sie wusste, wenn alle Stricke rissen, war Conch Shell imstande, den Atlantischen Ozean schwimmend zu überqueren, notfalls mit ihrem Navigator im Schlepptau. Painted Stick konnte sie schleppen, nicht aber den Rest. Daher gefährdeten sie, die amerikanischen Objekte, die Weiterreise. Der Stock würde den geplanten Aufbruch mit Sicherheit nicht auf unbestimmte Zeit verschieben wollen, deshalb bestand tatsächlich die Möglichkeit, dass sie früher oder später allein in New York zurückbleiben würden. Can o’ Beans hatte diese Erfahrung schon einmal gemacht und verspürte nicht die geringste Lust, sie noch einmal zu wiederholen. Deshalb war er/sie traurig.
Nur ein Narr jedoch, ein Geschöpf ohne Vision, wird für solche Fälle keine Eventualpläne entwickeln, und daher hatte Can o’ Beans Folgendes vor: Sollten sie es nicht schaffen, sich der Hilfe zu versichern, die sie brauchten, um das
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