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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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Objekte, eines wie das andere, in den Flammen umkamen. Nur Spoon hatte die Chance, das Inferno zu überleben, doch selbst sie konnte leicht als zusammengeschmolzenes Metallhäuflein enden, noch unästhetischer und gewöhnlicher als die gegenwärtige Konfiguration von Can o’ Beans. Spoon schauderte erneut zusammen. Alle hörten das leise Klappern.
    «Na schön, aber wie um alles in der Welt soll das gottverdammte Feuer entstehen?», fragte die Socke.
    «Durch Reibung», erwiderte der Stock.
    «Und wie …», begann Can o’ Beans. Denn wie üblich war er neugierig und wollte Painted Stick fragen, wie er sich fühlen würde, wenn er die berühmte Kathedrale bis auf die Grundmauern niederbrannte, nur um ihnen die Flucht zu ermöglichen. Doch dann beschloss er/sie, Painted Stick nicht schon wieder mit einem «moralischen» Problem zu behelligen, nachdem er bereits einen Mann geschlagen und einem anderen ein Bein gestellt hatte. Außerdem war sich Can o’ Beans durchaus bewusst, dass mehr als ein Feuer mit «unbekannter» Ursache heimlich von unbelebten Objekten gelegt worden war. Selbst die Menschen kannten das Phänomen der «Spontanverbrennung». Sie merkten nur nicht, dass es ein bewusster Willensakt sein konnte.
     
    Im entlegensten Winkel des Kellers hatte Painted Stick eine alte Lattenkiste umgestülpt. Die Holzspäne, die herausrieselten, wurden dann vom Löffel in die Muschel und in die Socke bugsiert und vom Stock festgestampft, der das Zeug anschließend mit Hilfe der beiden Vehikel an eine Stelle unweit des Fenstergitters transportierte. «Mr. Sock sieht aus, als hätte er Anabolika gespritzt», sagte Can o’ Beans über seinen angeschwollenen Kameraden. «Oder als hätte man ihn wie eine Gans für
pâté de sock gras
gestopft.»
    Spoon kicherte. Dirty Sock grunzte.
    Auf den Haufen geringelter Holzspäne, die Dirty Sock seinen Worten zufolge an Miss Charles’ Frisur erinnerten, hatten sie, jeder seinen Fähigkeiten entsprechend, mehrere trockene, verstaubte Gesangbücher geschubst, gestoßen und geschoben. Auf die gleiche Art kamen noch ein paar Holzkloben von einer kaputten Kirchenbank hinzu. Schließlich traten sie zurück, um ihren Scheiterhaufen zu begutachten. «Ich würde sagen, keine Pfadfindertruppe hätte bessere Arbeit leisten können», erklärte Can o’ Beans.
    «Sie sagen es hiermit», antwortete Dirty Sock.
    Spoon kicherte erneut, mehr aus Nervosität als Belustigung.
    Bei Sonnenuntergang hatten alle ihre Posten bezogen. Spoon und Dirty Sock, sie zitternd vor Erregung, er irritiert von einem Holzspan, der sich in seinem Gewebe verfangen hatte, hockten auf dem Sims vor dem Fenstergitter. Conch Shell und Can o’ Beans saßen an der Tür; wenn sie aufsprang, konnten sie sich dahinter verstecken. Painted Stick stand ganz oben auf dem Scheiterhaufen und balancierte auf seinem spitz zulaufenden Ende.
    Sie warteten.
    Und warteten.
    Erst als er mit Einfallswinkel und Zusammensetzung des nachlassenden Lichts zufrieden war, begann der Stock sich zu drehen. Sie sahen ihm zu, und alle mussten flüchtig an Turn Around Norman denken, obgleich Norman eindeutig ein Bummelzug nach Bleistadt war im Vergleich zu dem wirbelnden Stock. Wie der Wind drehte sich der uralte Talisman, rasend wie im Rausch, wie ein Blindenstock in einem Whirlpool, wie die Bohrerspitze eines Diamantschleifers.
    Sie beobachteten ihn.
    Und beobachteten ihn.
    Und wurden nervös.
    Doch dann begann ein Holzspan zu glimmen. Noch einer. Und noch einer. Der erste Funke tauchte auf wie ein blutverschmierter Babykopf aus einem Sauerstoffschoß. Zwillinge. Fünflinge. Dann loderte eine ganze Population auf, und der Schatten des versengten Stocks tanzte groß und geheimnisvoll an der vom Feuer erleuchteten Wand.
     
    Kurz vor der Landung in La Guardia, als Ellen Cherry Charles – gatten-, liebhaber- und jetzt auch noch vaterlos – ihren Sitz wieder in eine aufrechte Position brachte, drückte eine Vorhut von Feuerwehrmännern vorsichtig die Tür zum Keller von St. Patrick’ s auf. Genau in diesem Augenblick quetschten sich Spoon, Dirty Sock und Painted Stick durch das Gitter hinaus auf den Bürgersteig. Dort versteckten sie sich hinter einem Rauchvorhang. Die Polizei hatte bereits den gesamten Block abgeriegelt. So weit, so gut.
    «Wenn es bei den anderen nur halb so glatt geht», seufzte Spoon.
    «Genau», sagte Dirty Sock. «Wir haben es geschafft, im Gegensatz zu ihnen.»
    Kaum hatten die Objekte ausgesprochen, als sich ein Mann aus

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