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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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hätten wir Nasen, hätte uns Mr. Sock schon längst vergast.»
    Die Feuerwehr machte relativ kurzen Prozess mit den Flammen. Alle bis auf einen Löschwagen fuhren wieder ab. Die Mannschaft hing noch eine Weile herum, tat sich an Kaffee und Doughnuts gütlich und fachsimpelte mit den Polizisten über Football. Sie passten auf, dass das Feuer nicht wieder aufflammte. Am Schluss kamen die Brandstiftungsexperten, um mit ihren Ermittlungen anzufangen. Bis dahin hatten die Muschel und die Dose, wie ein Lachspärchen im Gipsverband, das eine trockene Fischleiter emporklettert, sich heil zum Erdgeschoss vorgekämpft, wo sie hinter einer Kirchenbank im Mittelschiff Zuflucht fanden.
    Langsam verabschiedete sich ein Feuerwehrmann nach dem anderen, bis nur noch ein Ermittler, der Sekretär des Erzbischofs und der Chefküster übrig waren. Eine Zeitlang fürchteten die Objekte, im Kirchenschiff in der Falle zu sitzen, in der nächsten Sonntagsmesse unter den Knien der Gläubigen zermalmt zu werden. Doch dann machte der Sekretär den Vorschlag, die Portale zu öffnen, um das Innere der Kirche zu lüften, denn es roch immer noch durchdringend nach Holzrauch und verbrannten Gesangbüchern. Kurz darauf fanden sich Can o’ Beans und Conch Shell auf den nächtlichen Straßen wieder, wo der Pulsschlag der Großstadt wie tausend phosphoreszierende Flügel ihre Haut aus Stahl und Kalzium streifte.
    Die zusammengeknüllte Socke steckte einen Meter Richtung Fifty-first Street hinter dem Ende des Gitters in einer Mauerritze. Conch Shell und Can o’ Beans wandten sich nach Süden, wie abgemacht, daher bemerkten sie Dirty Sock nicht. Er sah sie ebenfalls nicht. Sich stets im Schatten haltend, überquerten sie hastig die Fiftieth Street, bogen um die Ecke der Forty-ninth und verbargen sich im zementbekleisterten Labyrinth einer Baustelle. Sie waren bitter enttäuscht, als sie merkten, dass Stick, Spoon und Sock sie nicht dort erwarteten.
    «Pech gehabt!», sagte Can o’ Beans. «Was machen wir jetzt?»
    «Wir warten noch ein bisschen. Um diese Zeit sind zu viele Menschen unterwegs. Doch wenn unsere Gefährten bis zum Monduntergang nicht erschienen sind, machen wir uns allein auf den Weg zum Fluss. Und von da zum Meer.»
    Nachdenklich lehnte sich Conch Shell gegen ein Stück Styropor, um auszuruhen. Es entpuppte sich als Essensbehälter eines feinschmeckerisch veranlagten Bauarbeiters, der am Nachmittag seinen Lunch in einem nahe gelegenen japanischen Restaurant gekauft und den Karton achtlos weggeworfen hatte. Eine der Stacheln am Gehäuse der Muschel stieß ihn um, worauf er einen Klecks schwabbeligen, abstoßend gelbweißen Glibber ausspuckte. «Gu-uu-uu-uu-ten A-aa-aa-aa-bend», sagte der Klecks und vibrierte wie der Kehlkopf eines Albino-Soprans.
    «Und was, wenn ich bitten darf, stellen
Sie
dar?», fragte die Muschel verblüfft.
    Nachdem es endlich aufgehört hatte zu wackeln, antwortete das merkwürdige Gebilde: «Nennen Sie mich Tofu. Oder auch Dofu. Alles, nur nicht Bohnengallerte.»
     
    Zweiundsiebzig Stunden lang huschten Conch Shell und Can o’ Beans in New Yorks Hafenviertel von Versteck zu Versteck, in der vergeblichen Hoffnung, ihre Freunde wiederzufinden. Schließlich, gegen elf Uhr der dritten Nacht, einer Augustnacht, einer Nacht, so warm und wildaromatisch wie Schildkrötensuppe, wies die Muschel die Bohnendose an, sie zu besteigen. Nachdem sich der deformierte Behälter in ihr perlmuttschimmerndes Cockpit gekuschelt hatte (was ein bisschen zu gefährlich war, um es so richtig zu genießen), glitt sie ins schmutzige Hafenbecken und schwamm davon.
    Das Gewicht der Dose drückte sie tief ins Wasser. Jede kleine Welle leckte an ihrem Passagier, und sie fürchtete, dass die mächtigen Wogen des Ozeans ihn aus ihrer Höhlung spülen würde. Sie warnte Can o’ Beans davor, doch als sie am nächsten Morgen den Hafen verließen und die ersten Wogen mit weißen Schaumkronen auf sie zurollten, klapperte er/sie im Inneren der Muschel hin und her und rief: «Auf die Bretter … fertig … los!» Und kreischend wie ein Schuljunge/-mädchen gab er/sie sein/ihr zehenloses Bestes, um bis zum Ende stehend auf dem Surfbrett durchzuhalten.
    «Wir reisen langsam», sagte Conch Shell, «und wir haben einen sehr weiten Weg vor uns. Wenn wir in einen Sturm geraten …»
    «Leg ’nen Zahn zu!», rief Can o’ Beans. Um dann etwas ruhiger hinzuzufügen: «Schauen Sie, Miss Shell, nicht jede Dose fix und fertig zubereiteter Kohlenhydrate

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