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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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war, was Sie wissen wollten. Beide Fälle implizieren das Ende der Welt, so wie wir sie kennen.»
    «Was ist, wenn Christus
und
der Messias kämen, und es wären zwei verschiedene Typen?», fragte Can o’ Beans. «Würden sie in Fernseh-Talkshows debattieren? Würden sie ihren Anhängern zwei verschiedene Belohnungen verheißen, getrennte Sperrbezirke im Himmel? Und würde Jesus, ein frommer Jude, wirklich zu den Nichtjuden überlaufen? Könnte es zum Krieg zwischen den beiden Erlösern kommen, der die Welt ‹erlöste›, indem er sie zerstörte? Schauen Sie sich den Nahen Osten an, schauen Sie sich Nordirland an, Indien mit seinen Hindus und Sikhs. Man könnte meinen, ein Großteil des Blutvergießens auf der Welt sei die Folge religiöser Auseinandersetzungen. Vielleicht bin ich deswegen so zynisch, wenn die Sprache auf die Religion kommt.»
    «Sind Sie das?», fragte Spoon ungläubig. «Also, gerade in Ihrer Verfassung …»
    «Das ist Blasphemie, oder?», murmelte Dirty Sock.
    «Die Dinge entwickeln sich nicht immer so, wie die Menschen es erwarten», erinnerte sie Conch Shell.
    Painted Stick warf eine erstaunliche und irrelevante Bemerkung über die Monde des Saturn ein.
    «Sie haben ganz recht», sagte Can o’ Beans, womit er/sie sich auf Conch Shells Äußerung über die Erwartungen der Menschen bezog. Was Spoon und Dirty Sock gesagt hatten, tat er/sie als deplatzierte Anthropomorphismen ab, und ob Painted Stick richtiglag, stand wirklich in den Sternen. «Immerhin ist Jesus vor zweitausend Jahren untergetaucht. In all der Zeit muss er sich verändert haben. Und was den Messias betrifft, so kaufen wir da eher die Katze im Sack.»
    Conch Shell lachte. Es war ein hohes, melodisches, ein fröhliches Lachen, es erinnerte an den Gesang von Feldmäusen, die ausziehen, in einem Land Körner zu sammeln, wo alle Falken Vegetarier sind. «Wahrscheinlich ist Ihre Einstellung sehr gesund», sagte sie. «Immerhin könnte sich herausstellen, dass der Dritte Tempel mit … mit etwas ganz anderem in Verbindung steht.»
    «Wissen Sie und Mr. Stick, was es ist?» Die Dose war ganz Ohr.
    «In Anbetracht der Vergangenheit sind wir ziemlich sicher, dass wir es wissen. Doch wenn es ans Eingemachte geht, werden wir wahrscheinlich überrascht sein wie jeder andere.»
    «Aber es wird eine große Sache, dieser neue Tempel in Jerusalem?»
    «Wir haben allen Grund, es anzunehmen.»
    «Und Sie und Mr. Stick – unbelebte Objekte – werden daran teilhaben?»
    «Das hoffen wir», sagte Conch Shell. «Man hat es uns jedenfalls versprochen. Ist es nicht endlich an der Zeit, dass unbelebte Objekte – wie auch Pflanzen und Tiere – ihren rechtmäßigen Platz bei der Regelung der Angelegenheiten der Welt wieder einnehmen? Wie lange soll die Menschheit diese integralen Bestandteile der Gesamtwirklichkeit noch vor den Kopf stoßen dürfen?»
    Ein Schauer lief über die zerplatzte Naht der Dose. Die Implikationen dieser Vorstellung erregten sie, obgleich sie sie vielleicht trotz ihrer günstigen Position als unbelebtes Objekt nicht ganz verstand.
Hätte
sie sie ganz verstanden, wäre zumindest für sie, eine verwundete Dose Schweinefleisch mit Bohnen, der zweite Schleier bereits gefallen.

Der dritte Schleier
    Ellen Cherry und Boomer versuchten zu entscheiden, wie sie ihr Jubiläum feiern sollten. Sie waren jetzt eine Woche verheiratet. Zwar hätte Ellen Cherry lieber den ganzen Abend mit Zeichnen verbracht – denn sosehr sie sich auch anstrengte, ihr wollte nicht ein einziges Attribut des Ehedaseins einfallen, das sich mit der Wonne messen konnte, die sie empfand, wenn ihr Bleistiftstrich wie eine Schlange über das Paradies eines leeren Blatts Papier glitt –, trotzdem schlug sie vor, tanzen zu gehen. Nun tanzte Boomer Petway zwar ausgesprochen gern, aber es traf sich, dass der einzige an diesem Märzabend in Livingston, Montana, für die Öffentlichkeit zugängliche Ort dazu eine «internationale» Disco war, die erst kürzlich die Country-and-Western-Bar im Grizzly Bear Hotel abgelöst hatte. Livingstons renommiertes Literatenvölkchen würde da sein, so versicherte man dem jungen Paar, und gewiss auch die gesamte aufstrebende Schickeria aus diesem Teil des ländlichen Montana, deren Mitglieder sich im glitzernden Schein von Chrom und Neon aufbauen würden wie die sorgfältig arrangierten Gestalten eines barocken Meisterwerks.
    «Kommt nicht in die Tüte», sagte Boomer. «Als ich dreißig wurde, habe ich alle diplomatischen

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