Salomes siebter Schleier (German Edition)
Beziehungen zur Pepsi-Generation abgebrochen. Falls einer von diesen hippen jungen Leuten Verbindung zu mir aufnehmen will, soll er die Schweizer Botschaft einschalten.»
Scheint mir kein gutes Omen für unser Leben in der Kunstszene von New York zu sein
, dachte Ellen Cherry. Aber was hätte denn
dafür
schon ein gutes Omen sein können? «Wenn ich mich recht erinnere, mein Süßer, sind deine Beziehungen zu Ranchern und Farmern auch nicht gerade in einer Entspannungsphase, deshalb ist es wahrscheinlich ganz gut, dass heute Nacht keine Kuhscheiße auf den Tanzböden dieses Nests breitgetreten wird. Es fällt mir von Tag zu Tag schwerer, aus deiner Außenpolitik schlau zu werden.»
«Ich bin blockfrei.»
«Was nicht dasselbe ist wie gewaltfrei.» Sie strich sich übers Haar. Es fühlte sich wie immer widerspenstig und struppig an; das war beruhigend. Sie wickelte sich eine Strähne um den Finger, zog ihn dann heraus und spürte, wie sie zu einer Locke aufsprang. «Was würdest
du
denn heute Abend am liebsten machen?»
Boomer meinte, er fände es wahnsinnig romantisch, ins Autokino zu fahren. Dort könnten sie innerhalb gewisser Parameter ihre jugendlichen Nächte im Robert E. Lee noch einmal aufleben lassen. Wie sich herausstellte, war das Yellowstone Drive-in erst diese Woche nach dem Winterschlaf ausgemottet worden und eröffnete die neue Saison mit einem echten Knüller, einer langen Science-Fiction-Nacht:
2001 : Odyssee im Weltraum
2010 : Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnahmen
2020 : Wer braucht jetzt eine Brille?
Sie mussten insgesamt vier Karten lösen. Der Truthahn war so lang, dass er zwei Plätze brauchte, und je einen rechts und links nahmen die Schlegel ein. «Zum Teufel mit der Knete», rief Boomer. «Für meine knackige kleine Braut ist mir nichts zu teuer!»
Ellen Cherry schlug die Augen nieder und wandte sich an den Kartenverkäufer. «Seit einer Woche», hauchte sie verschämt.
«Seit einer vollen Woche!», donnerte Boomer. «Wie wär’s mit einem Bottich Popcorn, Liebling?»
«Du verwöhnst mich.»
Da sie rechtmäßigen und physischen Zugang zu vier Lautsprechern hatten, nutzten sie alle und empfingen den Zeichentrickangriff der Snack-Bar-Werbung quadrophonisch. Außerdem drehten sie die Heizung des Airstreams auf, denn seit Sonnenuntergang heulte ein eisiger blauer Wind aus Kanada um das Kino. Dieser Wind nahm jeden verfügbaren Parkplatz in Beschlag, hörte aber nur auf sich selbst.
Da Boomer rechtmäßigen und physischen Zugang zu allem hatte, was in Ellen Cherrys Höschen steckte, zog sie es aus, um ihm die Mühe zu ersparen. Nach ein, zwei Küssen begab er sich zu dem zweieinhalb Kubikmeter großen Kühlschrank, angeblich, um ein Bier zu holen, überraschte sie jedoch mit einer ziemlich guten Flasche französischem Champagner. «Laut Auskunft des Weinkellners hier ist das die ideale Ergänzung zu gebuttertem Popcorn.»
«Es gibt also doch noch Hoffnung für dich», sagte sie. Sie selbst konnte nicht entscheiden, ob sie über diesen Hoffnungsschimmer lachen oder weinen sollte. «Alles Gute zur ersten Woche!» Unter ihrem Rock, wo das Höschen gekommen und gegangen war, wo es nichts gab als Haar und nackige Haut, unter ihrem Rock (denn sie war und blieb eine Frau aus dem Süden und weigerte sich, in Jeans oder anderen Hosen herumzulaufen) drückte Ellen Cherry die Daumen, so fest sie konnte.
I & I
«Ich frag mich, wo sie jetzt wohl gerade sind.» Verlin Charles hatte eine Landkarte der Vereinigten Staaten von Amerika auf dem Kaffeetisch ausgebreitet. Verlin betrachtete die Staaten, oder besser gesagt, er betrachtete die kleinen, mit verschiedenen Farben gekennzeichneten Felder, in die jene größere Form, die seine Nation repräsentierte, unregelmäßig unterteilt war. Verlins Vorstellung von «wo sie jetzt wohl gerade sind» bezog sich auf die Felder der Staaten, nicht mehr, nicht weniger. Die Leute neigten dazu, diese Felder, diese vergleichsweise brandneuen, willkürlichen, politisch motivierten Unterabteilungen, für natürliche Gegebenheiten zu halten, die von alters her unveränderlich bestanden, für Endprodukte der Evolution («Nein, Kinder, Texas ist nicht aus Rhode Island entstanden; Texas und Rhode Island haben nur einen gemeinsamen Vorfahren»), oder, wenn die Leute Kreationisten aus dem Bibelgürtel waren, glaubten sie, dass Gott der Allmächtige die Staaten eigenhändig geschaffen hatte, sich mit seinem großen Titanstift in der großen schöpferischen Faust an
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