Salomes siebter Schleier (German Edition)
Conch Shell den Priestern im innersten Heiligtum bei, wenn diese sich an die Aufgabe machten, privilegierte Jungfrauen, Siegerinnen einer Reihe von «Miss-Judäa»-Ausscheidungen, zu deflorieren.
Spoon war gewaltig schockiert von diesem Gerede. Unzucht im Allerheiligsten? Conch Shell erklärte ihr, dass im Ersten Tempel seit seiner Einweihung und bis zu einem gewissen Grad selbst unter dem strengen levitischen (jahwistischen) Regiment schon immer sexuelle Aktivitäten stattgefunden hatten. Ein berühmtes Paar phallischer Säulen bewachte seinen Eingang, und wie fast alle Tempel der alten Welt wurde er von den Einnahmen geweihter Prostituierter finanziert.
«Liebe Güte, liebe Güte», murmelte Spoon vor sich hin. Sie fühlte sich plötzlich so schwach wie die gebeutelte Bohnendose und musste sich festhalten, um nicht neben ihr in Ohnmacht zu fallen.
Trotz seiner/ihrer unangenehmen Lage versuchte Can o’ Beans, sie zu trösten. «Soweit ich das beurteilen kann, Miss Spoon, hatten diese Handlungen nichts mit irgendwelchen schmutzigen Geschäften in billigen Motels oder besoffenem Gefummel auf dem Rücksitz eines Wagens zu tun, was die Jesuiten möglicherweise in Ihrer Gegenwart verurteilt haben. Im Gegenteil, sie nahmen einen noch höheren Rang ein als die eheliche Vereinigung. Es handelte sich um einen heiligen Akt, der feierlich und in vollem Bewusstsein begangen wurde, in der Absicht, den ursprünglichen Schöpfungsakt zu kopieren, das Leben in seinem intensivsten und entscheidendsten Aspekt zu verherrlichen. Es ist hier nicht die Rede vom alten Rein-raus-Spiel, Miss Spoon, weit gefehlt, wir sprechen vom Entfachen des göttlichen Funkens, von …» Zum ersten Mal verschloss Miss Spoon die Ohren (nicht dass sie welche gehabt hätte, wohlgemerkt) vor Can o’ Beans’ Gelehrsamkeit und wandte sich verletzt und verstört von ihm/ihr ab.
Dirty Sock gluckste leise in sich hinein (nicht dass dadrin etwas gewesen wäre, wohlgemerkt).
I & I
Wie eine neonrote Fuchszunge, die an zerfallenden kosmischen Hühnerknochen leckt, schlabberte die aufgehende Sonne die über Nacht gefallene dünne Schneeschicht weg. Ellen Cherry war bereits auf den Beinen und stellte Sandwiches mit Spiegelei, Schoko-Doughnuts und Bier auf ein Tablett: Boomers Lieblingsfrühstück.
Sie machte sich nichts vor. Sie versuchte, ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, das war alles. Ihr Verstand sagte ihr, dass sie nichts getan hatte, dessen sie sich hätte schämen müssen. Andererseits war sie so konditioniert, dass sie es für die Pflicht einer Frau hielt, ihren Mann zu umsorgen. So glaubte sie, Buße tun zu müssen, denn sie hatte zugelassen, dass das Wichtigste in ihrem Leben vorübergehend die alltäglichen Pflichten verdrängte. So war es nun mal. Es hatte keinen Zweck, das zu leugnen.
«Hab ich dir genug Mayonnaise draufgetan, Liebling?»
«Jawohl, Ma’am, vielen Dank auch.» Er leckte sich einen Tupfer von der Oberlippe. «Und danke, dass du den Bullen vergangene Nacht daran gehindert hast, mich einzulochen.»
«Du warst nicht gerade die Freundlichkeit in Person, Boomer. Er wollte nur deinen Ausweis sehen.»
«Er wollte, dass ich Angst vor ihm kriege. Alle Bullen wollen das. Ich glaub, ich bin immer eine schreckliche Enttäuschung für diese Wichser.»
Sie sah zu, wie er einen Doughnut in sein Bier stippte, und sagte: «Du hast wohl vor gar nichts Angst, wie?»
«Solange du keine Angst hast, kann sich niemand in dein Leben einmischen. Vergiss das nie. Es ist die Hölle, wenn man Angst hat. Aber es ist himmlisch, wenn man sich einfach weigert, Angst zu haben. Und das meine ich wörtlich.»
Er biss ein Stück von dem aufgeweichten Doughnut. «Jetzt kennst du meine Religion.»
«Aber kann man tatsächlich einfach beschließen, keine Angst zu haben?»
«Na und ob!» Er starrte in sein Bier, das die Farbe eines nackten Buddhas hatte, und mampfte ein paar Minuten lang schweigend vor sich hin. Dann sah er sie plötzlich an. «Ich bin ein elender Lügner», sagte er.
«Was soll das heißen?»
«Ich hab doch Angst vor was. Ich hab Angst vor
dir
.»
«Ach, komm.» Sie lachte so trocken, dass es klang wie Husten. «Warum um alles in der Welt solltest du Angst vor mir haben?»
«Weil du mein Herz gestohlen hast.»
«Schatz!» Sie stellte erstaunt fest, dass er Tränen in den Augen hatte und seine Mundwinkel zitterten – ein kleiner Junge, der jeden Augenblick losheulen konnte. «Aber hör mal, ich würde doch nie mit
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