Salomes siebter Schleier (German Edition)
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Und jetzt kamen Verlin und Patsy und erzählten ihm, dass eine Frau ihre Nachbarschaft in helle Aufregung versetzte, weil das Licht auf der Veranda ihres Nachbarn nun schon in der vierten Nacht hintereinander den Schatten eines bärtigen Mannes auf ihren Kühlschrank warf.
«Sogar im Fernsehen ham sie drüber berichtet», sagte Verlin. «Jeder Prediger aus der Gegend ist schon da gewesen. Wir waren sicher, dass sie dich auch angerufen hätten.»
«Das Telefon is kaputt», sagte Buddy. «Ich glaub, einer von den Rabbis hat es verhext.»
«Was für eine Schande», sagte Patsy. «Wir dachten, du würdest dich auf dieses Wunder stürzen wie ’n Penner auf ’n Schinkenbrötchen.»
Es war schon beinahe zehn, als sie das Haus der Frau fanden, aber mehr als sechzig Menschen drängten sich auf ihrem Einstellplatz, wo der Kühlschrank stand.
«Er ist es», flüsterte ein Mann voller Ehrfurcht. «Es ist Jesus Christus, der Herr!» Buddy dagegen war der Meinung, der Schatten habe eine gewisse Ähnlichkeit mit Willie Nelson.
«Oder Castro», schlug Verlin vor. Patsy dagegen sagte so laut, dass jeder es hören konnte: «Wenn der liebe Gott zur Erde zurückkehrt, wird er bestimmt nicht auf einem ordinären Kühlschrank landen.»
I & I
Kurz vor elf an diesem Morgen bogen Autos auf den Kirchhof ein, Dutzende von Autos. Can o’ Beans war begeistert. Welch wunderbarer Zufall, dass es an seinem/ihrem allerersten Tag vor der Kirche eine Hochzeit geben würde! Wenn sein/ihr Glück anhielt, würde er/sie vielleicht schon um die Mittagszeit hinter einem Hochzeitswagen herklappern.
Mühsam rappelte sich die Dose auf. Die Delle in der Seite warf sie aus dem Gleichgewicht und erschwerte die Fortbewegung, aber sie schaffte es, zu einer günstigeren Stelle unweit der Kirchentreppe zu watscheln, wo sie womöglich jemandem auffallen würde, der ihre Dienste für die Hochzeitsprozession in Anspruch nehmen wollte.
Ich frage mich, ob einer von ihnen einen Dosenöffner dabeihat
, dachte das Gefäß. Nie hätte es sich träumen lassen, dass es das Wort «Dosenöffner» einmal mit derartiger Vorfreude aussprechen würde. Mit fatalistischer Gelassenheit, ja, aber mit Erleichterung wohl kaum. Und doch stand es jetzt hier und sehnte sich fast nach der singenden Klinge. Nun, da sein Glück sich gewendet hatte und die größte Gelegenheit in der Geschichte des Konservengemüses vertan war, brannte es darauf, seine Karten auszuspielen und sich endgültig in das Schicksal zu fügen, das es vor Erlangung seiner Beweglichkeit schon gleichmütig akzeptiert gehabt hatte. Can o’ Beans drehte sich einmal um die eigene Achse, in der Hoffnung, einen Blick auf die Braut zu erhaschen. Ein dünnes Bächlein orangefarbener Sauce löste sich aus seiner/ihrer Seite wie ein Faden aus der Unterhose eines Vulkans und aktivierte die Antennen der ringsum lebenden Ameisen.
In diesem Moment fuhr der Leichenwagen vor. Gefolgt von einem Militärjeep mit der Fahnenwache.
Can o’ Beans taumelte zurück und ließ sich wieder ins hohe Unkraut fallen. Keine fünfzig Meter entfernt betteten die Trauernden einen Jungen aus der Gegend, den Körper vom unersättlichen Dosenöffner des Nahen Ostens durchlöchert und aufgeschlitzt, für alle Ewigkeit oder zumindest für geraume Zeit zur letzten Ruhe.
I & I
«Wir könnten nach Kanada rüberfahren», schlug Ellen Cherry vor, «und dann über Montreal nach New York runter.»
«Ach nee», meinte Boomer. «Die Leute da oben sagen zu ihrem Käse
fromage
.» Er verzog das Gesicht, als hätte sie ihm eine Giftflasche unter die Nase gehalten.
«Verstehe», neckte Ellen Cherry. «
Fromage
, also wirklich, und das soll reichen, um
dich
vom Essen abzuhalten?»
«Früher oder später würd ich mit dieser Kiste lieber mal in Chicago einlaufen», sagte Boomer.
Ellen Cherry warf einen Blick aus dem Küchenfenster. Mittlerweile war es schon ziemlich dunkel, doch es standen immer noch mehrere Gestalten da draußen und begutachteten den Truthahn. Sie schwenkten Taschenlampen und benahmen sich, als wären sie vom Tierschutzamt, Abteilung Geflügelhaltung.
«Warum Chicago?», fragte sie. Mit Sicherheit lockte ihn nicht das Chicago Art Institute. Und Ellen Cherry zweifelte keine Sekunde, dass ihr Mann sich die schwieligen Finger auch nicht nach dem Chicago Museum of Contemporary Art leckte.
«Nun ja, ich würd mir gern mal den Ort ansehn, wo das Valentinstag-Massaker stattgefunden hat.»
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