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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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dir nur irgendeine verheiratete Frau am vierzehnten Februar anzugucken
, dachte sie. Doch sie sagte: «Und was noch?»
    «Das Krankenhaus, wo Dutch Schultz gestorben ist.»
    «Ach richtig, Dutch Schultz. War das nicht der holländische Junge, der die Stadt gerettet hat, indem er seinen Finger in den Deich steckte?»
    Boomer sah sie an, als hätte sie ihr Abendessen als Makkaroni
au fromage
bezeichnet.
    «Tut mir leid, Schatz. Ich glaube, das war eine andere Geschichte. Du meinst wahrscheinlich ‹Dutch Schultz and the Silver Skates›.»
    Boomer trank einen großen, einen gewaltigen Schluck Bier.
Wahrscheinlich kriegt sie bald ihre Pünktlichen
, dachte er. Ellen Cherry nannte ihre Tage «die Pünktlichen».
So ist sie meistens kurz vor ihren Pünktlichen.
     
    Hauptsächlich aus praktischen Gründen verlassen wir Boomer Petway und Ellen Cherry Charles jetzt, überlassen sie auf diesem Campingplatz in North Dakota, umringt von übergewichtigen, taschenlampenbewehrten Mittelwestlern, ihrem Schicksal; lassen sie ihr Abendessen in der Küche des Airstream beenden; lassen Boomer darüber nachdenken, wie er sie noch schnell zu einer Nummer überreden könnte, bevor sie ihre «Pünktlichen» kriegte, weil sie sich immer so mit den Laken anstellte, wenn die monatliche Flut kam (wo wir gerade bei Massakern sind); lassen Ellen Cherry dasitzen und sich fragen, ob sie nun, verheiratet und auf dem Weg nach New York, mehr oder weniger für ihre Kunst würde leiden müssen – und wenn sie weniger litt, ob sie dann weniger malen würde oder mehr, und wenn sie mehr litt, ob sie dann mehr malen würde oder weniger, und wenn sie weniger malte, ob besser oder schlechter, und wenn sie mehr malte, ob schlechter oder besser, und ob das alles überhaupt eine Rolle spielte, solange sie bloß nicht kellnern musste.
    Wir werden unsere Jungvermählten sich selbst überlassen, sie ihren intimen, vielleicht ein wenig auseinanderstrebenden Gedanken nachhängen lassen, und abgesehen von einer kurzen Zusammenfassung wird, wenn wir sie wiedertreffen, mehr als ein Jahr vergangen sein und ihr Leben eine unerwartete Wendung genommen haben.
    Diese Seiten wurden von Anfang an nicht als Chronologie ihrer Reise durch Amerika konzipiert, sondern zwecks Offenlegung ihrer indirekten, aber unleugbaren Verbindung zum alten und neuen Jerusalem, einer Stadt, die weit von unseren Küsten entfernt liegt und einen völlig anderen Lebensstil hat, und in der dennoch, so könnte man argumentieren, jeder von uns psychisch zu Hause ist: Jerusalem, heilig und schrecklich, blutig und strahlend, die bedeutendste Stadt von Amerika.
     
    Es genügt wohl zu sagen, dass ihnen die Reise nicht nur zum Vergnügen, sondern auch zur Erbauung gereichte. Mit Boomer am Steuer fuhren sie im Zickzack, in Mäandern und in einem Tempo weiter, das ihnen (abgesehen von ihren «Pünktlichen») Muße für sexuellen Kontakt miteinander und sozialen Kontakt mit ihren Landsleuten ließ. Übrigens kamen sie tatsächlich durch Chicago. Ellen Cherry fertigte ein winziges Gemälde von der Straßenecke an, wo der Gangster John Dillinger niedergeschossen worden war (Dutch Schultz hatte, wie sich herausstellte, sein Leben in New Jersey beendet), und überreichte es Boomer als Hochzeitsgeschenk. Er vergoss ein paar markige Tränen. Dann ging er mit ihr tanzen.
    Am Ende der Reise hatten sie von Manhattan aus Ellen Cherrys Eltern angerufen und berichtet, dass die Leute im ganzen Land offenbar nur drei Themen hatten: Aids, den Nahen Osten und das Finale. Aids war eine tödliche und bislang unheilbare Krankheit. Der Nahe Osten schien, obwohl in seinem ewigen Auf und Ab recht unberechenbar, in der Vorstellung der Menschen irgendwie unauslöschlich mit dem «Ende der Welt» verknüpft zu sein. Das Finale war der strahlende Höhepunkt der studentischen Basketballmeisterschaften (die gerade voll im Gang waren) und vermittelte allein durch seinen Namen – es hätte auch Ausscheidungs- oder Endrunde heißen können – ebenso wie Aids oder der Nahe Osten ein Gefühl von Endgültigkeit, Entropie, Apokalypse, von etwas, das unaufhaltsam auf sein Ende zusteuert. Daher, so die Jungvermählten, schleppte Amerika das Ende mit sich herum wie einen Gehirntumor. Das Ende, glücklich oder tragisch, der Ausgang, dramatisch angemessen oder nicht, der Höhepunkt, nicht zu verwechseln mit dem Orgasmus, beherrschte ihr ganzes Denken. Ihr Geist war sozusagen am Ende.
    «Da wird Bud sich aber freuen», sagte Patsy.
    Jetzt kam

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