Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
Vom Netzwerk:
Abu sah, wie seine studentischen Freunde von der Polizei misshandelt und von Politikern im Dienst des militärisch-industriellen Komplexes diffamiert wurden. Bald gab er seine Zurückhaltung auf und ergriff Partei für die Kräfte der brüderlichen Liebe. Er machte seinen Stand während der Demos dicht und schloss sich den Pazifisten auf der Straße an, sehr zu Nabilas Missfallen, da mittlerweile zwei hungrige Babymäuler zu stopfen waren. Wie sich herausstellte, bekam er häufig Tränengas (dessen Schwaden ohnehin in den Stand trieben), aber selten Prügel ab.
    Der Vietnamkrieg ging zu Ende. Die Jahre falafelten ins Land. Die Kinder wuchsen heran. Abu hatte noch immer ein Ohr für die Musik in den Dingen und ein Auge auf die Schurken in den oberen Etagen. An dem Tag, als ein offizieller Brief aus Alexandria kam, hatte er für Abrüstungsverhandlungen demonstriert. Ohne dass er es ahnte, hatte sein Vater in seinem Letzten Willen verfügt, er solle sechs Millionen Dollar aus dem Familienvermögen erben, unter der Voraussetzung, dass er mit fünfundfünfzig sesshaft geworden und geschäftlich erfolgreich war. Verwandte machten Abu das Recht auf die Hinterlassenschaft streitig. Ein Falafel-Stand! Ausgerechnet! Sein Anwalt bewies, dass Abus Stand seit seiner Eröffnung jedes Jahr einen kleinen Gewinn abgeworfen hatte. «Rote Nase, schwarze Zahlen», sagte Abu. Er bekam sein Erbe.
    Er flog mit seiner Frau nach Jerusalem, der Traumstadt seiner Jugend. Sie verbrachten einen Monat dort, sahen viele poetische Sehenswürdigkeiten und diverse Gewalttaten.
    «Fortan werde ich Bücher lesen und Musik hören», verkündete er nach ihrer Rückkehr. «Ich will Tennis spielen lernen und mich für den Weltfrieden einsetzen. Für meine Nabila werde ich ein Dienstmädchen einstellen. Zwei. Die können ihr die Teppiche saugen und die Betten machen. Ich aber, ich, Roland Abu Hadee, werde mich wie gewöhnlich um den Abwasch kümmern.»
    I & I

Als die Limousine Ellen Cherry beim Isaac & Ishmael’s absetzte, stand Abu in der Küche und inspizierte zum zehnten Mal an diesem Tag die Spüleinrichtung. Es war Spike, der auf ihr Klopfen öffnete. «Wie geht’s, Mr. Cohen?», fragte sie. «Ist alles bereit?» Spike brachte keinen Ton heraus. Er war hin und weg von ihren Schuhen.
    Spike hatte sie angeheuert. Sie war in flachen Leinenschuhen zum Einstellungsgespräch erschienen – in praktischen Kellnerinnenschuhen halt –, und es ist schwer zu sagen, ob seine Entscheidung von ihrem Schuhwerk beeinflusst wurde oder nicht. Wahrscheinlicher ist, dass es ihre politischen Überzeugungen waren. Oder besser gesagt, deren Fehlen. Nachdem er Dutzende von Gesprächen mit allen möglichen Weltverbesserern geführt hatte – wohlmeinenden, aber inkompetenten Liberalen, die aus persönlichem Engagement heraus an diesem Experiment teilnehmen wollten –, war Spike froh, eine erfahrene Kellnerin vor sich zu haben, die überdies gestand, so gut wie keine Ahnung von der Lage im Nahen Osten zu haben.
    «Ich bin Künstlerin», erklärte sie.
    «Und ist sie nicht politisch, die Kunst, was Sie machen?»
    «Eine Menge Künstler haben das noch nicht geschnallt, Mr. Cohen, aber ‹politische Kunst› ist ein Widerspruch in sich.»
    «Wie steht es mit diesem … diesem Goya? Und seinen berühmten Bildern gegen den Krieg?»
    «Goyas Werk ist stark, weil seine Technik stark war. Reiner Zufall. Ein schlechter Maler, der Gräueltaten malt, begeht selbst welche, finde ich. Im Übrigen, wie steht es mit Rubens? Seine großen, rosigen, fröhlichen Nackten sind ein ebenso starkes Argument gegen den Krieg wie Goyas verstümmelte Opfer. Rubens sagt ja zum Leben. Und in meinen Augen ist jeder, der das Leben bejaht, automatisch gegen den Krieg.»
    Spike stellte sie als Kellnerin ein. Als er Abu von ihr erzählte, schlug dieser vor, sie zum Maître d’ der Lunch-Schicht zu befördern. Und so geschah es.
     
    Zwei Wochen später war Ellen Cherry wieder arbeitslos. Als sie mit Colonial Pines telefonierte, sagte sie: «Wenn Onkel Buddy dahintersteckt, schuldet er mir eine Menge Geld.»
    «Dein Daddy sagt, es is völlig ausgeschlossen, dass Bud so weit gehen würde», antwortete Patsy. «Dein Daddy glaubt, es waren Terroristen.»
    «Und was sagt meine Mami?»
    «Ha! Auf deine Mami hört doch kein Mensch. Es sei denn, sie hat ein Brathühnchen oder du weißt schon was anzubieten.»
    «Was, Mami?»
    «Ach, vergiss es.»
    «Was?»
    «Sei endlich still, ich sag nichts

Weitere Kostenlose Bücher