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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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auch ein Burberry-Schneider ihn selbst unter größter Anstrengung nicht in einen Gentleman hätte verwandeln können. Es
musste
Reverend Buddy Winkler sein. Als er schließlich den Lautsprecher nahm und das Saxophon seiner Stimme erst in der Nachbarschaft und dann, durch die Mikrophone der Fernsehanstalten, über der ganzen Nation widerzuhallen begann, bestand kein Zweifel mehr. Brutal und sanft zugleich vibrierten die dunklen Akkorde langsam durch die Nacht und wälzten sich im Regen wie ein Gigolo im Bett.
    Ellen Cherry hielt sich im Hintergrund, damit Buddy sie nicht sah, und verstand trotzdem jedes Wort. Er forderte die gewaltsame Entfernung der Moslems von Jerusalems Tempelberg, denn die Ankunft des Messias stand unmittelbar bevor. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wovon er redete, aber seine Stimme machte sie so scharf, dass sie anfing, unruhig hin und her zu rutschen, die Beine übereinanderzuschlagen und herumzuhüpfen wie ein kleines Mädchen, das aufs Klo muss.
     
    Über das Thema Ägypten hatte Ellen Cherry so verschwommene Vorstellungen, dass sie Ramses  II . für einen Jazzpianisten hielt. Daraus könnten wir folgern, dass sie auch von Jazz nicht viel verstand. Und tatsächlich hielt sie «Birdman of Alcatraz» für Charlie Parkers Spitznamen im Knast. Zu ihren Gunsten mag jedoch hinzugefügt werden, dass sie trotz der Ähnlichkeit der um die beiden gescharten schrägen Vögel den Alcatraz-Birdman nicht mit dem heiligen Franz von Assisi verwechselte.
    Einer der ägyptischen Götter hatte einen Vogelkopf gehabt. Mit seinem scharlachroten Zinken sah Roland Abu Hadee ihm irgendwie ähnlich. Als Abu aus der Küche kam (der Tellerwäscher hatte gedroht zu kündigen, wenn Abu nicht aufhörte, ihm über die Schulter zu gucken) und sich zu Ellen an einen Ecktisch setzte, strahlte sie genauso, wie eine Priesterin am Nil über den Besuch des falkenköpfigen Gottes gestrahlt hätte. Abu lenkte sie sowohl vom Gesumm in ihrer Klitoris (einem Organ, das seit sechs Monaten keine Zuwendung mehr erfahren hatte) als auch von dem Chaos auf der Straße ab, wo die wogenden Massen von Moslems, Juden und Christen Slogans skandierten und Fäuste schüttelten. Mittlerweile hatte sich eine Delegation von New-Age-Propheten dazugesellt und nutzte nun die Gelegenheit, um sanft auf die neueste einer langen und sterbenslangweiligen Reihe von Katastrophen (Erdbeben, Kometen, Weltuntergänge usw.) hinzuweisen, die entweder ganz ausgeblieben waren oder es nicht geschafft hatten, die erhofften Veränderungen im sozialen Bewusstsein einzuleiten.
    Vor dem Restaurant ging es weitaus lauter zu als drinnen, denn die Demonstranten, Propheten, Polizisten, Kameraleute, Reporter und Neugierigen waren den Gästen mengenmäßig zirka zwanzigfach überlegen. Abu und Spike hatten anlässlich der Wiedereröffnung ein paar Prominente zu einem kostenlosen Dinner eingeladen, doch von allen, die bei der eigentlichen Eröffnung anwesend gewesen waren, hatte nur Norman Mailer den Mumm gehabt, wiederzukommen. Mailer und die paar Dutzend anderen Gäste schienen allerdings mehr an den ägyptischen und israelischen Weinen als am Dinner selbst interessiert, was entweder hieß, dass das Essen mies war, oder dass sie Angst hatten, mit vollem Magen um ihr Leben rennen zu müssen.
    Auf alle Fälle hatten Ellen Cherry und Abu keine Mühe, sich in normaler Lautstärke zu unterhalten.
    «Ich finde diesen Speisesaal ziemlich düster», gestand Abu. Er deutete auf die goldgesprenkelten Bambusmatten an den Wänden. «Dafür haben wir einem Dekorateur gutes Geld bezahlt? Es gibt im ganzen Nahen Osten nicht
ein
Bambusrohr.»
    «Vielleicht hat er gedacht, Jerusalem liegt in Polynesien», sagte sie.
    «Jerusalem ist überall», antwortete Abu, eine Spur zu feierlich. «Seine Aura erstreckt sich über den ganzen Globus. Jerusalem ist überall. Es ist nur nicht genug davon in diesem Raum.» Er dachte einen Augenblick nach. «Sie sind doch Künstlerin, meine Liebe. Warum hängen wir nicht ein paar von Ihren Bildern auf?»
    Als sie nicht gleich antwortete, setzte er hinzu: «Selbstverständlich würden wir sie versichern.»
    Ellen Cherry musste lächeln. Erst wenn ihre Gemälde mit dem I & I in die Luft flogen, würden sie ihr finanziell also etwas einbringen. «Nun ja, ich habe Ihnen im Juni Dias gezeigt», sagte sie.
    Abu verbarg einen Schauder. Er erinnerte sich an Bäume, die aussahen wie schwule alte Schauspieler, die Kimonos anprobierten, und an Hügel, die wie rote

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