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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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Griechen Bouzouki nennen. Und das verrät Ihnen noch etwas anderes über den Araber. Einen weiteren Aspekt. Wir lieben die Musik. Araber lieben die Musik der Sterne. Aber auch die Arithmetik der Sterne. Beide sind arabische Erfindungen. Wussten Sie das? O ja, die Araber waren einst Meister der Kunst und der Wissenschaften. Unsere Bauwerke waren einfallsreich und mächtig. Wir erfanden die Astronomie, die moderne Mathematik, wir zeichneten Karten, bauten Schiffe, kreierten Parfüms. So könnte ich endlos fortfahren. Wir haben ein uraltes literarisches Erbe. Im achten, neunten und zehnten Jahrhundert, als Europa sich im finstersten Mittelalter suhlte, als Europa unwissend, arm und schrecklich barbarisch war, standen die arabischen Länder in der Blüte der Aufklärung. Die arabische Welt war kultiviert, reich, gebildet und auf ihre stolze, träumerische Art vergeistigt. Mathematiker spazierten durch Rosengärten. Poeten ritten auf edlen Hengsten.
    Was also ist passiert? Tja, meine Liebe, die Kreuzfahrer kamen und statteten uns einen kleinen Besuch ab. Die Kreuzfahrer. Christliche Ritter aus Europa. Sie massakrierten Männer, Frauen und Kinder – Juden ebenso wie Araber, das sollte man dazusagen, eben alle Nichtchristen. Die Kreuzfahrer zerstörten das intellektuelle und wissenschaftliche Leben in Kleinasien und Nordafrika. Sie setzten die größte und vollständigste Bibliothek der Welt, die große Bibliothek von Tripolis, in Brand und machten Hunderte von Kunst- oder Wissenschaftszentren dem Erdboden gleich. Was für eine Tragödie. Was für eine Verschwendung.»
    Abu beugte sich über den Tisch, beugte sich über die Bambusdeckchen, über die Serviettenringe aus Bambus und die lotosgeschmückten Leinenservietten, bei deren Anblick Spike sich gefragt hatte, warum der Dekorateur das I & I nicht auch noch mit Essstäbchen versorgt hatte, beugte sich zu Ellen Cherry hinüber, bis sein rosiger Rüssel, ein fleischgewordener Painted Stick, nur noch Millimeter von ihrem eigenen kleinen Näschen entfernt war, und während das Metronom in ihrem Höschen, dieser Zeitmesser, dieser Östrogenzeitmesser, dieser Anzeiger des insektoiden Rhythmus weiblicher Erregung, plötzlich schneller tickte, öffneten sich seine Lippen. Ellen Cherry war auf ein Bellen, ein Grunzen, ein Zischen gefasst. Stattdessen sagte er mit seiner gewöhnlichen, sanften Stimme:
    «
Edle
Kreuzfahrer.
Heilige
Kreuzfahrer. Sie zogen die arabischen Länder zusammen mit Europa in den Abgrund. Und davon haben sich die arabischen Länder nie erholt. Kein Ölprofit kann ihnen ihre Aufklärung zurückkaufen. Wie anders wäre die Lage heute im Nahen Osten, wie viel vernünftiger und sicherer ginge es auf der Welt zu, hätten die Christen nicht eine Zivilisation besudelt, die viel zu fortgeschritten war, als dass sie sie mit ihren arroganten beschränkten Hirnen hätten begreifen können. Haben Sie in Ihrer Sonntagsschule je davon gehört, meine hübsche Cherry?»
    Noch bevor Ellen Cherry antworten konnte, versuchte eine der demonstrierenden Gruppen – schwer zu sagen, welche – das Restaurant zu stürmen, und als die Polizei sie an der Tür zurückschlug, gab es einen Riesenaufruhr. Gummiknüppel flogen, Blut spritzte, Kameras blitzten, und die Gäste sprangen Wein verschüttend und Linsen speiend auf und rannten in wilder Flucht Richtung Küche. Das Summen in Ellen Cherrys Klitoris ging im aufwallenden Adrenalin ebenso unter wie ihre Erregung durch den Champagner, und auch sie machte Anstalten aufzuspringen, doch Abu blieb einfach sitzen. «Die Kreuzfahrer wollten Jerusalem», sagte er ruhig. «Jerusalem war ihre Belohnung. Das können wir ihnen nicht vorwerfen, denke ich.»
     
    Es war ein langer, turbulenter Abend, doch das I & I überstand ihn. Der einzige Schaden, den es davontrug, waren die Weinflecken auf dem allgegenwärtigen Bambus. Und die Berichterstattung übertraf die kühnsten Erwartungen.
    Auf dem Heimweg, allein in der Limousine mit dem viel zu breiten Rücksitz und der Aussicht auf die vorbeigleitende bedrohliche und fremde Stadt, kam sich Ellen Cherry vor wie ein kleines Mädchen. Sie zog die Füße auf den Sitz, Stöckel hin, Stöckel her, und umklammerte ihre Knie. Aber so fühlte sie sich noch kleiner. Um wieder groß zu werden, fing sie an, darüber nachzudenken, mit wem sie schlafen würde.
    Es war klar, dass sie demnächst mit jemandem schlafen würde. Kein Nostradamus musste das vorhersagen. Die Frage war, mit wem?
    Boomer hätte auf

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