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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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sämtliche wiedergeborenen Beißerchen einschlagen, wenn dir in diesem satanischen Café auch nur ein Haar gekrümmt wird, wo du, wie ich zu meinem großen Bedauern hör, wieder angefangen hast zu arbeiten. Darüber müssen wir bei Gelegenheit übrigens auch mal plaudern.»
    Ellen Cherry hatte keine Lust, über das I & I zu plaudern. Im Augenblick hatte sie nicht mal Lust, Turn Around Norman zuzusehen. Alles, woran sie denken konnte, war, dass Boomer versucht hatte, ihr zu helfen, ja sogar sie zu beschützen. «Das hat Boomer getan? Wirklich?» Mit einem Mal ging ihr unerklärlicherweise das Herz über, wovon, wusste sie selbst nicht.
     
    Reverend Buddy Winkler trug einen senfbraunen Kammgarnanzug, der so knalleng saß, dass man versucht war, eine Kollekte zu veranstalten, um seinen Unterleib für eine Weile zur Kur zu schicken. Das gestärkte weiße Hemd war steif wie eine kugelsichere Weste, und um den Kragen hatte er einen grauen Wollschlips zu einem altmodischen Windsorwulst geschlungen, der wie ein besonders hässlicher Kropf aussah. Dazu trug er schwarze Halbschuhe, an denen ein Rudel Wölfe geknabbert zu haben schien. Ah, doch sein Lächeln schimmerte golden, und seine Stimme hatte nicht ein Jota ihrer alten, schwermütigen Schwülstigkeit verloren.
    «Sicher, sicher sorgt sich Boomer um das Wohlergehn seiner kleinen Frau. Genau wie ich. Was hast du mit dem Burschen angestellt, Kleines? Dieser affige französische Pfannkuchen, den er neuerdings auf’m Kopf trägt. Und seine Kunst. Ich hab gehört, er macht ’ne Ausstellung. Der Junge hat sein Leben lang hart und ehrlich gearbeitet. Musstest du unbedingt hingehen und ’nen Künstler aus ihm machen?»
    «Ich hatte nicht das Geringste damit zu tun, verflixt noch mal. Er ist von selbst geworden … was immer er jetzt ist.»
    Erneut legte Buddy ihr eine überraschend leichte Hand auf die Schulter. «Als du noch ’n kleines Würmchen warst und mir kaum bis zu den Knien gingst, hast du schon in deinen Wackelpudding gestarrt – Himbeergeschmack meistens, mit Sahne obendrauf – und den Weihnachtsmann drin gesehn. ‹Der Weihnachtsmann is in mei’m Pudding›, hast du gesagt. Du hast ständig Bilder in dei’m Essen gesehn. Schon damals ham wir uns gedacht, dass aus dir mal was andres wird, was Besondres. War also keine Überraschung, als du unbedingt Künstlerin werden wolltest. Aber Boomer Petway … der Junge is doch kein Künstler.»
    «Das hast du gesagt, nicht ich.»
    «Aber du stimmst mir zu?»
    «Hat der kleine Boomer je den Weihnachtsmann in seinem Wackelpudding gesehen?»
    «Du lieber Himmel – nein! Er hat sein’ Nachtisch immer so schnell verputzt, dass er gar keine Zeit hatte, was drin zu sehn.»
    «Also Schwamm drüber», sagte Ellen Cherry. Das letzte Restchen Tageslicht gurgelte in den dämmrigen Himmel wie Sahnesauce in eine Senkgrube. Turn Around Norman würde bald gehen. Sie versuchte, sich auf ihn zu konzentrieren, in der Hoffnung, eine Nuance von besonderer Reinheit oder Anmut zu entdecken, doch Reverend Buddy Winkler rückte ihr immer dichter auf die Pelle.
    «Wer is’n das?»
    «Wer ist wer?»
    «Dieser Holzkopf da drüben. Meinst du, ich würd nich mitkriegen, wie du den angaffst?»
    «Ach der.»
    «Hat keinen Muskel geregt, seit ich hier bin. Steht einfach bloß da wie ’n Ölgötze und glotzt ins Leere. Isser krank oder was?»
    «Er ist Straßenkünstler.»
    «Soso, und wann fängt er an?»
    «Er
hat
längst angefangen.»
    Buddy verstärkte seinen Griff auf ihrer Schulter. Er schüttelte sie sogar ein wenig. «Hör mal, der Junge is nich ganz dicht, verstehst du? Das soll Kunst sein? Dass er sich nich bewegt? Kein Wunder, dass der liebe Gott Ed Sullivan zu sich genommen hat.»
    «Aber er bewegt sich doch», protestierte Ellen Cherry und ließ sich damit auf eine Diskussion ein, die sie um jeden Preis hatte verhindern wollen. «Darum geht es doch. Er dreht sich. Dreht sich um sich selbst. Aber so langsam, dass man gar nicht mitkriegt, wie er’s macht. Wenn du ihm lang genug zusiehst, wirst du merken, dass er anderswohin guckt als vorher, als du das erste Mal hingesehen hast. In ein paar Stunden hat er sich einmal um die eigene Achse gedreht, um dreihundertsechzig Grad. Nur kriegst du nicht mit, dass er sich bewegt, wie genau du auch hinsiehst. Das ist das Aufregende an ihm.»
    Buddy ließ die Hand fallen. Er seufzte überrascht auf, dann stöhnte er verzweifelt. «Das Aufregende», murmelte er. «Das Aufregende! Wenn du nich

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