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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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Vorlieben abbringen können.
    Als sie sich in der Menge am Waldorf-Astoria und einigen weiteren japanischen Restaurants vorbeigedrängelt hatte (diese Gegend erinnerte Ellen Cherry immer an eine Petrischale, in der sich Sushi-Bars und Touristen vermehrten wie Bakterien), kam sie endlich zur Fifth Avenue, wandte sich an Sak’s vorbei Richtung Uptown und blieb vor den Stufen der St. Patrick’s Cathedral stehen. War sie sich auch nur annähernd bewusst, wie oft sich in der letzten halben Stunde New York und Jerusalem in ihrem Kopf begegnet waren, wie oft sie einander durchdrungen hatten? Wahrscheinlich nicht. Auf alle Fälle spielte es jetzt keine Rolle mehr. Dort, vor den massiven Bronzetüren von Amerikas berühmtestem Denkmal für Jerusalems berühmtesten Einwohner, konzentrierte sich ihre ganze Aufmerksamkeit auf Turn Around Norman und seine Talente.
     
    Turn Around Norman trat immer am selben Ort auf: auf dem Bürgersteig gleich unter der Treppe, die zur Kathedrale führte. Soviel Ellen Cherry wusste, verbrachte er jeden Tag vom frühen Morgen bis zum Einbruch der Dämmerung auf seinem Posten, außer mittwochs. Aus irgendeinem Grund arbeitete Turn Around Norman mittwochs nachmittags nicht. Er nahm die Mittwochnachmittage frei, genau wie Ärzte oder Apotheker. Was machte Turn Around Norman am Mittwochnachmittag? Ellen Cherry versuchte sich vorzustellen, wie er mit Dermatologen aus Yonkers oder Proktologen aus White Plains Golf spielte.
    Die Treppe vor St. Patrick’s war relativ niedrig, trotzdem erreichte Ellen Cherry eine Höhe, von der sie einen einigermaßen guten Blick auf den Ort des Geschehens hatte. Gerade als sie es sich, wie eine reiche alte Schachtel in ihrer Opernloge, auf ihrer Stufe bequem machen wollte, spürte sie eine Hand, die sich sanft wie eine Taube auf ihre Schulter legte, und hörte eine vertraute Stimme, die einem Streichholz gleich neben ihrem Ohr aufflammte.
    «Der Teufel soll mich holn, wenn das nich mein kleines Mädchen aus Colonial Pines ist!»
    Da stand Reverend Buddy Winkler in all seiner schäbigen Pracht und lächelte durch ein Feuerwerk neuer Goldfüllungen.
    «Onkel Buddy! Was für eine Überraschung! Wow! Mit deinen Zähnen könnte man ja glatt die Straßen des Himmelreiches pflastern.»
    «Und mit deinem Lippenstift die Tore zur Hölle lackieren! Aber Kleines, ich muss schon sagen, es is Labsal für meine Seele, dass du vom Himmelreich sprichst und ich dich hier so nah bei ’nem Gotteshaus antreffe – selbst wenn’s ein korruptes is. Du warst doch nich etwa auf’m Weg in dieses papistische Monstrum, oder?»
    Ellen Cherrys und Buddys Blicke streiften über St. Patrick’s, kletterten langsam die hundertzehn Meter bis zur Spitze seiner Zwillingstürme hinauf und flatterten dann wieder zur Treppe hinab.
    «Nein, Onkel Buddy, vielleicht bin ich ja eine Jezabel, aber zumindest eine protestantische.»
    «Du hast dasselbe lose Mundwerk wie deine Mutter, Mädchen.» Ellen Cherry grinste frech, grinste wissend, und Buddy lief rot an, als beschäme oder irritiere ihn irgendeine Erinnerung an Patsys Schlund. Als er sich wieder gefasst hatte, fragte er: «Also, dann verrat mir mal, was du hier zu suchen hast. Vor diesen Portalen, durch die die dicksten Fische von New York ein und aus spazieren? Wobei einige davon, muss ich sagen, meine Sache großzügig unterstützen. Was natürlich streng geheim is.» Er fuhr mit der Hand über seine Wange, über Löcher, die alles Gold in Fort Knox nicht hätte stopfen können. «Meine Partner und ich ham ein Büro eingerichtet, gleich hier, ’n Stück die Straße rauf. In der Bank von Österreich. Die Burschen sind netter zu uns als unsre eignen Landsleute.»
    Sie waren auch nett zu Hitler
, dachte sie, aber sagen tat sie: «Ich warte auf jemanden.» Sie warf einen verstohlenen Blick auf Turn Around Norman, ein wenig ärgerlich, weil ihr wegen dieser zufälligen Begegnung mit Buddy die Feinheiten seiner Arbeit entgingen. Man musste Turn Around Norman nämlich sehr, sehr aufmerksam zusehen.
    «Wohl nich auf unsern guten Boomer, was? Natürlich hab ich von eurer Trennung gehört und mir Sorgen gemacht. Ziemliche Sorgen. Ich wär mit Freuden das Werkzeug, durch das Gott euch zwei Streithähne wieder vereint.»
    «Na, da musst du dich an den guten Boomer halten, schätze ich.»
    «Hab ich bereits getan.»
    «Ach ja?»
    «Ja, stell dir vor. Dein Gatte marschiert nämlich grad heute Morgen in mein Büro und erklärt, er würd mir höchstpersönlich

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