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SALVA (Sturmflut) (German Edition)

SALVA (Sturmflut) (German Edition)

Titel: SALVA (Sturmflut) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Suslik
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technische Errungenschaften der
europäischen Ingenieure gepriesen wurden, schenkte ich dem nicht viel
Beachtung. Es sei den natürlich, es ging um virtuelle Medien. Ich sah mir das
Abteil näher an. Auch im Inneren des Zuges war vieles in Schwarz gehalten. Die
Polster der Sitze, der Boden und die Gepäckablagen. Nur die Innenverkleidung
des Zuges war grau und die Tür zum Abteil bestand aus Sicherheitsglas mit einem
filigranen Rahmen in Goldfarbe, der sich durch das obere Drittel der Tür zog.
Das alles wirkte so erdrückend auf mich. Zu meiner Nervosität gesellte sich
Niedergeschlagenheit. Es stiegen nicht viele Leute ein. Ich hatte das Gefühl,
der Zug war noch fast leer. Der Rapid begann zu vibrieren, es ging
wahrscheinlich gleich los. Ich sah noch mal kurz nach draußen, um mich von
meiner Stadt zu verabschieden. Ich nahm von allem Abschied. Von jedem bekannten
Ort, von der Vergangenheit und von den Menschen, die mir wichtig waren. Es gab
davon nicht mehr viele, aber sie waren alle hier. In Gedanken sagte ich lebe
wohl zu Radu. Vor meinem geistigen Auge konnte ich ihn sehen. Er war da. Er war
wirklich da! Das ganze Blut in meinem Körper stürzte in meine Füße, als ich
Radu auf den Zug zu laufen sah. Ich war mir nicht sicher, doch ich hatte das
Gefühl, er sah mich direkt an. Er konnte mich sehen und sein Gesichtsausdruck
war derselbe, wie damals in Kalemegdan. Nein, diesmal war es anders, er war
nicht überrascht und schockiert. Es war der Ausdruck von Angst. Ich drückte die
Hände gegen die Scheibe und wollte seinen Namen rufen, doch es war zwecklos,
der Zug setzte sich in Bewegung. Er hätte mich nicht gehört und nun konnte er
mich nicht einmal mehr sehen. Aber ich sah ihn, wie er stehen blieb, sein
Körper völlig erstarrt, sein Blick panisch. Das letzte, was ich erkennen konnte
waren seine Lippen, die langsam ein Wort formten: Nein.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
    8

 
    Wir
waren bereits zwei Stunden unterwegs und mittlerweile war es mitten in der
Nacht, trotzdem war ich hell wach und aufgewühlt. Ich konnte das Bild von Radu
am Bahnsteig einfach nicht aus meinen Gedanken kriegen. Warum war er im Bahnhof
gewesen? Hatte er mich zufällig gesehen? Ich konnte das Gefühl nicht
abschütteln, dass er mich aufhalten wollte, aber wieso begriff ich nicht. Er
konnte unmöglich wissen, wohin ich unterwegs war. Hatte Aljoscha mit ihm
gesprochen? Ich konnte es mir nicht vorstellen. Er hätte mir davon erzählt,
davon war ich fest überzeugt. Es war ihm nicht entgangen, dass Radu wichtig für
mich war. Aljoscha bot mir etwas zu Essen an, und ich zwang ein wenig in mich
hinein. Obwohl ich Hunger hatte, war mein Magen von der Aufregung völlig
durcheinander. Aljoscha wirkte völlig gelassen. Dieses Bild passte zu ihm, ich
kannte ihn gar nicht anders aber im Moment beruhigte es mich nicht. Ganz im
Gegenteil. Ich fragte mich, wie man in so einer Situation nicht wenigstens ein
bisschen besorgt sein konnte. Er hatte das schon ein Dutzend Mal gemacht, das
war mir bewusst. Vielleicht war er auch besorgt und zeigte es nur nicht. Ich
hätte den Unterschied sowieso nicht erkannt. Wenn er Sorgen und Ängste in sich
trug, dann machte er das offensichtlich für sich aus. Nach außen hin strahlte
er stets Ruhe aus. Gut möglich, dass es sogar Teil seiner Aufgabe war. Ein
Grund dafür, warum er sich für diese Art von Arbeit qualifiziert hatte. Ein
Leben als Spion erforderte Nerven wie Drahtseile. Ich fragte mich, ob ich ihm
erzählen sollte, dass ich Radu am Gleis gesehen hatte. War es wichtig? Wenn
Radu doch nicht wissen konnte, was wir vorhatten, dann konnte es nur ein Zufall
gewesen sein. Und wenn nicht? Ich rang mit mir und wusste einfach nicht, was
ich machen sollte. Wäre Aljoscha so gelassen, wenn uns irgendeine Gefahr drohen
würde? Er hat die ganze Reise geplant. Könnte etwas schief gehen, müsste er
zumindest ein wenig nervös sein. War er nervös? Meine Gedanken überschlugen
sich.
             „Du musst dich entspannen. Es wird
alles gut.“ Er klang überzeugt davon, aber ich fand trotzdem keine Ruhe.
Scheinbar war er wirklich sorglos. Ich wollte mich etwas hinlegen und versuchte
es mir irgendwie auf mehreren Sitzen bequem zu machen. Wir waren allein im
Abteil, warum den Platz also nicht ausnutzen. Zu schlafen versuchte ich erst
gar nicht, es würde nicht klappen. Die Erschöpfung war auch nicht groß genug.
Ich wollte mit Aljoscha

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