SALVA (Sturmflut) (German Edition)
dass er lächelte. „Du warst
so vielversprechend. Den Anderen in jeder Hinsicht voraus. Das hätte mich schon
misstrauisch machen müssen aber ich hab mich blenden lassen. Das passiert auch
den Erfahrensten von uns.“
„Und ich danke dir dafür.“ Ich konnte
nicht fassen, das er das gerade gesagt hatte. Ich rechnete damit, das Khargin
auf ihn schießen würde oder zumindest ausholte um ihm einen Schlag zu
verpassen, doch nichts von beidem passierte. Er lachte nur leise. Ich bekam
eine Idee davon, wie Aljoscha sein Vertrauen gewonnen hatte. Er durchschaute
Menschen und konnte sein Verhalten an ihres anpassen. Er begriff die Bedeutung
und Brisanz jeder Situation und las aus den Gesichtern und Gesten der Menschen
ihre Gedanken und Wesenszüge, bevor sie sich selbst darüber klar wurden. So
hatte er es auch mit mir gemacht und offensichtlich auch mit Khargin. Ich
konnte nur ahnen, was es für einen Mann wie ihn bedeutet haben musste, auf
einen jungen Mann wie Aljoscha zu treffen. Mit diesen offensichtlich besonderen
Fähigkeiten und diesem einnehmenden Charakter. Vermutlich hatte er viel Zeit
mit ihm verbracht, in der Hoffnung den perfekten Nachfolger gefunden zu haben.
Scheinbar waren sie sich auch nicht ganz unähnlich. Natürlich überwogen die
Unterschiede, das erkannte Khargin jedoch erst jetzt. Aljoscha versuchte
Menschenleben zu retten, während Khargin ein Mörder und Verbrecher war. In
meinen Augen war er ein noch schlimmeres Monster als Petak. Deshalb war seine
bloße Anwesenheit genug, damit mein ganzer Körper wie verrückt zitterte.
„Zum Glück war jemand aus unseren
Reihen so vorausschauend, deine kleine Freundin im Auge zu behalten, sonst
währt ihr mit dieser Nummer wohl durchgekommen.“ Es fuhr wie ein Blitz in meine
Gedanken. Branko! Es konnte niemand anders gewesen sein. Er hatte mich
die ganze Zeit in Novi beobachtet. Vielleicht wollte er mich persönlich
umbringen und hätte es auch getan, wenn Aljoscha mich nicht gerettet hätte.
Danach hatte er uns verraten und Khargin hatte abgewartet, bis zu einem
passenden Augenblick uns, fern ab von anderen Menschen, zu stellen. Unsere
Flucht war schon zum Scheitern verurteilt, bevor wir überhaupt auf dem Weg
waren. Dieser Psychopath war noch gefährlicher, als ich zuerst gedacht hatte.
Khargin machte einen Schritt auf mich zu und sah mir direkt in die Augen. Ich
war vor Angst wie gelähmt, trotzdem erwiderte ich den Blick. Er würde mich
nicht brechen. Wenn ich jetzt sterben müsste, gab es auch keinen Grund mehr
schwach zu sein. Schwäche würde mich nicht retten. Jemand wie er, kannte gar
nicht die Bedeutung des Wortes Mitleid.
„Mein Informant hatte Recht, diese Frau
hier darf man scheinbar nicht unterschätzen. Ich erkenne einen Kämpfer, wenn
ich ihn sehe oder in diesem Fall, eine Kämpferin.“ Er drehte sich von mir weg
und wieder zu Aljoscha. „Ich muss dir ja nicht sagen, was jetzt mit euch
geschehen wird.“
„Nein. Und ich muss dir nicht sagen,
dass das hier noch nicht vorbei ist. Egal, was mit uns passiert. Das Vereinte
Europa wird untergehen. Wenn ich nicht wieder komme, wird das die russische
Regierung und seine Verbündeten als Aufforderung sehen mit aller Härte durchzugreifen.“
Khargin grunzte nur verächtlich auf. Es klang wie der hämische Laut eines
geübten Theaterschauspielers. Er fuhr sich mit einer Hand durch das graue Haar.
„Droh' mir ruhig. Ich habe keine Angst
und auch sonst niemand. Lass deine Landsleute aufmarschieren. Europa ist eine
uneinnehmbare Festung. Du weißt das, sonst gäbe es die Vereinten Staaten schon
längst nicht mehr.“
„Das mag bis jetzt so gewesen sein,
Khargin. Aber es hat in der letzten Zeit viel geregnet und ihr sät gerade eine
Menge Wind. Vielleicht erntet ihr schon sehr bald eine Sturmflut. Wer weiß, wie
viel Land das verschlucken wird.“ Khargin sah ihn mit einem Gesichtsausdruck
zwischen Überraschung und Freude an.
„Ja, wir werden sehen. Aber das werdet
ihr beiden nicht mehr erleben. Leb' wohl Manyuk. Es war mir eine Vergnügen, mit
dir arbeiten zu dürfen. Das meine ich ganz ehrlich. Diese Erfahrung hat mich
viel gelehrt.“
„Die Freude war ganz auf meiner Seite.“
Khargin gab seinen Männern ein Signal und sie nahmen uns fest. Man brachte uns
zurück in den Zug und trennte uns sofort. Den Rest der Fahrt verbrachte ich in
einem Lagerraum
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