SALVA (Sturmflut) (German Edition)
des Zuges. Es gab keine Fenster und ich saß auf dem nackten
Boden. Die ganze Zeit wurde ich von zwei Männern der Schutztruppe bewacht. Mein
Arm pulsierte immer noch vor Schmerzen und ich traute mich nicht, mir die Wunde
genauer anzusehen. Ich drückte die Hand dagegen und versuchte einfach den Arm
ruhig zu halten. Vorsichtig, bewegte ich jeden einzelnen Finger an der rechten
Hand, wo mich der Schuss traf. Es ging und ich atmete auf. Die Verletzung hatte
zum Glück wohl keinen schlimmeren Schaden verursacht. Die andere Hand presste
ich gegen die Jacke, in der Hoffnung, die Schnittwunden würden bald aufhören zu
bluten. Die Männer wollten mir nicht helfen oder hatten Anweisungen es nicht zu
tun. Auf jeden Fall versorgten niemand meine Verletzungen. Sie sahen nur auf
mich runter, die Waffen immer im Anschlag und mit einem geringen Abstand zu
mir. Im Wagon war es eisig kalt, ich konnte meinen Atem sehen. Noch immer spürte ich die pulsierenden
Schmerzen meine Verletzungen und hatte leider auch genug Zeit, mich darauf zu
konzentrieren. Mein Körper zitterte von der Kälte und immer wieder verlagerte
ich mein Gewicht von einem Bein auf das andere, doch nach einer Weile tat jede
Position nur noch weh. Ich schloss die Augen und versuchte mich abzulenken,
doch mein Verstand war wie gelähmt. Der Rest der Fahrt kam mir wie eine
Ewigkeit vor.
Als
der Zug endlich wieder anhielt, waren meine Beine eingeschlafen und ich hatte
Probleme wieder aufzustehen. Einer der Männer packte mich am Oberarm und hob
mich auf die Füße, doch ich konnte nicht gleich stehen. Er zerrte an mir und
ich verlor immer wieder das Gleichgewicht. Erst nach mehreren Minuten war ich
in der Lage schnell genug zu gehen, so dass er mich nicht mehr brutal vor sich
herschieben musste. Sie führten mich aus dem Wagon. Es musste immer noch Nacht
sein, aber ich konnte den Himmel nicht sehen. Der Zug hatte nicht in einem
Bahnhof gehalten, zumindest war es kein regulärer Stopp. Nirgendwo waren
Menschen zu sehen und es gab auch keine Schilder, die einem den Weg wiesen. Es
sah aus wie in einer riesigen Lagerhalle, die von Schienen durchzogen war. Auf
einigen standen Güterwagons und riesige Stahlrohre liefen an der Decke und den Wänden
der Halle entlang. Künstliches Licht erhellte das riesige Gebäude und es war
auch hier eiskalt. Einer der Männer lief vor mir her, der andere hatte mich
hinten an meiner Jacke gepackt und schupste mich vor sich her. Mein Herz schlug
mir bis zum Hals. Angst überkam mich wieder, denn ich wusste nicht warum ich
hier war oder was mit mir passieren würde. Ich hielt nach Aljoscha Ausschau,
konnte ihn aber nirgendwo sehen. Heute hatte ich zum ersten Mal gesehen, wozu
er fähig war und in mir wuchs die Angst, dass sie ihn vielleicht einfach
getötet hatten. Er war schließlich eine potenzielle Gefahr, selbst unbewaffnet.
Khargin war sich seiner Fähigkeiten mit Sicherheit bewusst und auch über sein
Insiderwissen. Er könnte in einer Stadt voller Soldaten bestimmt deutlich
länger überleben als ein Zivilist, sich vielleicht sogar befreien. Die
Schutztruppen führten mich durch eine kleine Stahltür am Ende der Halle.
Dahinter lag ein langer Gang, der von nackten Lampen an den Seiten
ausgeleuchtet wurde. Immer wieder kamen wir an roten Stahltüren vorbei, die
durchnummeriert waren. Bei Tür Nummer zwölf hielten wir an. Der Mann vor mir
öffnete sie mit seinem Chip. Dahinter lag ein weiterer Gang. Das Gebäude, in
dem wir uns befanden, musste riesig sein. Ich versuchte mir vorzustellen, dass
hinter jeder dieser roten Türen, wieder ein Gang mit noch mehr Türen lag. Ich
hatte zwar nicht gesehen, wie viele Türen sich im ersten Durchgang befanden,
aber das Ende war noch nicht in Sicht gewesen, als wir ihn verließen. Zusammen
mit der großen Halle und vielleicht 40 bis 50 dieser roten Stahltüren mit
weiteren Gängen dahinter, hatte der gesamte Komplex die Größe einer kleinen
Stadt. Vermutlich wurde er genau für diesen Zweck erbaut. Eine militärische
Einrichtung, um Rebellen und Terroristen zu verstecken, bevor man sie in die
verlassenen Städte brachte. Ich konnte kaum glauben, dass man dafür so viel
Platz brauchte. Vielleicht diente dieser Ort noch anderen Zwecken. Mir kamen
Aljoschas Worte wieder in den Sinn. Es gab immer mehr Mensch, wie mich. Leute,
die die Wahrheit erkannten und sich wehrten. Vermutlich waren es viel mehr, als
ich mir vorstellen konnte, man erfuhr nur nichts von ihnen. Für einen kurzen
Moment, kam ich
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