SALVA (Sturmflut) (German Edition)
Rucksack
und holte einen großen Keks hervor. Bei dem bloßen Anblick weiteten sich meine
Augen und mein Herz machte vor Freude einen Satz. Essen! Und dann auch noch
eine Süßigkeit! Ich war schon halb verhungert. Veit reichte mir den Keks und
sofort vergaß ich alles um mich herum, sogar die schmerzende Wunde an meinem
Kopf. Ich biss rein und schaffte kaum zu kauen, so groß war meine Gier nach
etwas zu Essen. Ich aß ihn in zwei Bissen und nun war Veit es, der mit großen
Augen zu mir sah.
„Wow, da ist aber jemand hungrig.“ Er
holte noch etwas aus dem Rucksack, das wie ein Proteinriegel aussah. Er öffnete
die Verpackung, brach die Hälfte ab und reichte sie mir. Die andere aß er
selbst. Auch die Hälfte vom Riegel war mit zwei Bissen weg, jedoch versuchte
ich diesmal etwas gründlicher zu kauen. Das Regenwasser schlug mir immer noch
auf dem Magen und ich wollte das bisschen Essen nicht sofort wieder erbrechen.
Veit ließ mich noch ein paar Schlucke Wasser aus der Flasche nehmen und steckte
sie dann wieder weg. Für eine Weile schwiegen wir uns an, bis Veit die Stille
wieder unterbrach.
„Jetzt zum Wesentlichen. Es gibt ein
paar wenige Möglichkeiten von hier zu entkommen aber es wird sehr gefährlich
und wir können es nur schaffen, wenn wir zusammenarbeiten.“ Das war absolut
unglaublich für mich. Es schien ganz so, als wäre er schon einmal hier gewesen,
aber das konnte unmöglich sein. Er war auch zu jung, um selbst schon bei den
Schutztruppen gewesen zu sein. Woher hatte er also dieses Wissen? Zumindest
glaubte ich, dass er zu jung war, mit einem Mal waren meine Zweifel wieder ein
Stück größer. Auf jeden Fall musste er mir bereits jetzt großes Vertrauen
entgegen bringen. Er weihte mich nicht nur in seine Pläne ein, es klang auch
so, als wäre ich fester Bestandteil davon. Dieser Gedanke beruhigte mich. Ich
hatte selbst auf Verbündete hier drin gehofft und hatte schneller als erwartet
einen gefunden.
„Woher weißt du das?“
„Hallo? Ich habe versucht
Bombenanschläge auf die Regierung zu verüben. Ich musste damit rechnen,
geschnappt zu werden, also habe ich alles getan was ich konnte, um zu erfahren
was dann auf mich zukommen würde. Es ist nicht unmöglich an diese Informationen
zu kommen, wenn du erst mal weißt, dass dieser Ort hier existiert. Ich habe
mich um einen Platz bei den Schutztruppen beworben. So habe ich Leute kennen
gelernt, die hier ausgebildet wurden und Zack! Schon weißt du mehr, als du zu
Anfang wissen wolltest.“ Mein Erstaunen ging über das normale Maß hinaus. Ich
war völlig verblüfft und zugleich kam ich mir unsagbar dumm vor. Ich glaubte
stets, meine Handlungen waren ein Akt der Rebellion, aber nun erkannte ich, wie
weit sie davon entfernt waren. Indirekt hatte Veit zugegeben, sein Leben für
den Kampf gegen die Regierung aufgeopfert zu haben. Er hatte diese Bombe
gebaut, wohl wissend, dass er deshalb sterben könnte. Er war sogar darauf
vorbereitet. Seine Handlungen zeigten nicht die kleinste Spur von Angst, er hatte
sich den Konsequenzen bereits gestellt, bevor er sie tragen musste. Ich empfand
nicht weniger als Bewunderung für ihn und schloss innerlich den Entschluss, mir
seine Stärke als Vorbild zu nehmen. Annas Güte, Aljoschas Sorglosigkeit und nun
Veits Willensstärke. Es gab so viele Menschen um mich herum, die den Krisen im
Leben auf eine Art begegneten, die mir nicht mal möglich erschien. Ich fragte
mich, was andere Leute in mir sahen. Was hielt mich am Leben, woraus schöpfte
ich die Kraft zu überleben?
„Es gibt einen unterirdischen Ausgang
aus der Stadt, er führt über ein stillgelegtes Gleis der U-Bahn. Sie haben
genau einen Tunnel offen gelassen, es ist also nicht schwer zu erraten, dass er
immer streng bewacht und durch Selbstschussanlagen gesichert ist. Außerdem weiß
ich nicht genau, wo er sich befindet und zur jetzigen Zeit steht er wohl so
oder so unter Wasser. Diese Option fällt also eigentlich aus. Die zweite
Möglichkeit ist uns den Weg raus zu kämpfen. Dafür müssten wir jedoch noch mehr
Verbündete finden, die ein wenig risikobereiter sind, denn wir müssten uns auch
Waffen beschaffen und naja... die volle Distanz gehen.“ Er musste es nicht
näher ausführen, in den letzten Stunden hatte ich gelernt, was die volle
Distanz bedeutete: Bereit sein zu sterben. Mir schoss noch ein anderer
Gedanke in den Kopf.
„Wir hätten
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