SALVA (Sturmflut) (German Edition)
dass du die Möglichkeit hast,
zu verschwinden.“ Ich hatte zwar nicht darüber nachgedacht es zu benutzten,
trotzdem war es gut zu wissen. Ich war besser auf alle Eventualitäten
vorbereitet. Ich würde nun wieder allein in eine Stadt gehen, die technisch
gesehen ein Schlachtfeld war. Jeder Ratschlag war hilfreich und Veit wollte,
dass ich zurückkam. Ich war seine beste Chance zu Überleben. Er hatte viel für
mich in Kauf genommen und sicher nicht damit gerechnet schwer verletzt zu
werden. Ich würde vorsichtig sein und mein Bestes für ihn geben müssen.
„Bis später.“ Mit diesen Worten verließ
ich das Dach und lief die Treppen hinunter. Wieder auf der Straße, rief ich mir
geistig das Bild der Stadt vor Augen. Ich ging in die Richtung, die nach Veits
Fingerzeig in den nördlichen Teil der Stadt führte. Auf der Straße war niemand
zu sehen, trotzdem lief ich die Strecke immer in kleinen Abschnitten. Immer
wieder suchte ich Deckung in kleinen Seitenstraßen oder Hauseingängen, die
Waffe stets im Anschlag. Aber allein bei dem Gedanken, einen Schuss abfeuern zu
müssen, fingen meine Hände wieder an zu zittern. Ich hatte nicht einen einzigen
Schuss zur Probe abgegeben. Veit und ich hatten befürchtet, es könnte die
Aufmerksamkeit von anderen Soldaten auf uns lenken. Vielleicht sogar andere
Piranhas. Ich war aus der Begegnung mit diesen Soldaten vermutlich nur heile
herausgekommen, weil Veit mir Deckung gegeben hatte. Er hätte mich auch opfern
können, hatte es jedoch nicht getan. Er stand zu seinem Wort und betrachtete
mich als Verbündete. Er wollte, dass wir beide lebend aus dieser Stadt kamen.
Ich fühlte mich elend und beschleunigte meine Schritte. Ich würde das schnell
durchziehen und ihm helfen. Es war die einzige Art um mich dafür zu
revanchieren. Der Regen ließ zwar langsam nach, trotzdem musste ich immer
wieder versuchen meine Hände abzutrocknen, um nicht den Halt über die Waffe zu
verlieren. Ich fror immer noch und es wurde auch nicht besser. Meine Kleidung
hatte keine Chance zu trocknen und die kalte Nässe umhüllte mich langsam wie
ein feiner und doch, lückenloser Film. Das Messer hatte ich in den Gürtel
geschoben und unter der Jacke versteckt, so dass ich ihm Notfall schnell danach
greifen konnte. Würde ich es benutzen müssen, wäre es wahrscheinlich schon zu
spät um mich noch zu retten, aber es hatte sich bereits bewährt. Vielleicht
würde es das noch ein zweites Mal tun. Mit einem Mal musste ich an den Soldaten
denken, den ich mit dem Messer angegriffen hatte. Er war jetzt tot. Ich hatte
ihn getötet. Ich war zur Mörderin geworden. Vielleicht hatte ich Veit damit das
Leben gerettet aber sicher war ich mir nicht. Ich konnte diese Tat nie
ungeschehen machen und es spielte auch keine Rolle für mich, ob er ebenfalls
Menschen getötet hatte. Sein Blut klebte an meinen Händen und es würde
vermutlich nicht das letzte gewesen sein. Wollte ich überleben, würde ich
wieder töten müssen. Bei diesem Gedanken fing mein Herz an zu hämmern und meine
Hände zitterten noch mehr. Wenigstens hatte ich es nicht für mich getan. Ich
hatte es getan, um Veit zu helfen. Ich hatte einem Menschen geholfen, der
selbstlos sein Leben für meines riskiert hatte. Mir war klar, dass es auch um
mein Leben ging, doch es fiel mir schwer, den Gedanken zu ertragen. Allein die
Tatsache, dass mir der Tod schon so oft in meinem Leben begegnet war, machte es
leichter. Der Tod verfolgte mich und vielleicht würde er mich auch bald holen.
Ich durfte keine Angst haben und ich durfte jetzt nicht unter dem Gewicht der
Schuld zusammenbrechen. Würde ich das hier überleben, hätte ich noch genug Zeit
um die Verantwortung für meine Taten zu übernehmen.
Ich
hatte gerade wieder Schutz im Eingang eines Hauses gesucht, da hörte ich
Schritte. Es mussten mindestens zwei Personen sein, denn ich konnte auch
Stimmen hören. Sie unterhielten sich. Ganz vorsichtig und langsam blickte ich
um die Ecke und erkannte die beiden sofort. Es waren die Männer aus dem Wagon,
die ich für Brüder hielt. Scheinbar hatte man uns alle in der Altstadt
verteilt. Einer von ihnen trug ebenfalls eine Waffe bei sich und sie gingen die
Straße runter in meine Richtung. Sofort kamen mir Veits Worte wieder in den Sinn. Vertraue niemandem. Und noch etwas anders wurde mir in diesem Moment
bewusst: Sie würden mich auf jeden Fall sehen.
11
Ich
hatte die Waffe bereits angelegt und zielte, als die beiden mich
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