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SALVA (Sturmflut) (German Edition)

SALVA (Sturmflut) (German Edition)

Titel: SALVA (Sturmflut) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Suslik
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Längst hatte sich die Regennässe über die
verkohlten Balken und die Reste des Mauerwerks gelegt. Ich blieb stehen und
erstarrte förmlich, als mir einfiel, dass ich dieses Gebäude kannte. Als ich
das letzte Mal darauf zuging, war es noch intakt und ich kam von der anderen
Seite der Straße, als es plötzlich eine Explosion gab. Es gab keinen Zweifel
mehr für mich, das war das gleiche Haus. Schlagartig kam mir der Weg zur U-Bahn
Station wieder in den Sinn. Sie war nicht weit entfernt.
             „Ich weiß jetzt wo lang!“ Ohne zu
zögern, lief ich los. Vorbei an dem kaputten Gebäude und in die Richtung der
Station. Ich hielt kurz inne, um mich zu orientieren und lief dann weiter. Aus
der Ferne sah ich den schmalen Durchgang, an dessen Ende wir damals die
Soldaten in ihrem Fahrzeug überrascht hatten. Für einen Moment verlor ich die
Orientierung wieder und blieb stehen, dann fiel mir der große Wasserspeicher
auf dem Dach ein. Man müsste ihn von hier aus sehen können. Ich drehte mich im
Kreis und da war er. Wir waren ganz nah dran.
             „Da müssen wir hin.“ Ich zeigte zu dem
großen Wassertank und lief wieder los. Als wir unmittelbar vor dem Gebäude
ankamen, war ich mir ganz sicher. Hier hatte ich Veit zurückgelassen. Ich
stürmte hinein und rauf auf das Dach, doch er war nicht da. Ich sah mich um,
aber es gab hier oben nicht wirklich eine Möglichkeit sich zu verstecken. Er
war nicht mehr da. Verzweiflung machte sich in mir breit. Es war das
eingetreten, vor dem ich Angst hatte und trotzdem wollte ich es nicht glauben.
             „Ich versteh das nicht. Er hat gesagt,
er würde 24 Stunden auf mich warten.“ Ich konnte meine Enttäuschung kaum
verbergen. Nicht nur, weil Veit vielleicht unsere einzige Chance war von hier
zu entkommen, sondern weil ich es gewagt hatte ein relativ großes Vertrauen in
ihn zu setzten, das jetzt erschüttert war.
             „Vielleicht ist es zu gefährlich
geworden und er musste weg.“ Grys Worte klangen tatsächlich sehr
wahrscheinlich. So viele Stunden an ein und demselben Ort zu verbringen war in
dieser Stadt lebensgefährlich. Er hatte mit Sicherheit keine Wahl gehabt. Ich
sah auf die Blutflecke am Boden, dort wo er gesessen hatte. Meine anfängliche
Enttäuschung wurde von Sorge verdrängt. Es gab natürlich noch eine Möglichkeit,
die niemand von uns aussprach. Die Möglichkeit, dass man ihn getötet hatte. Es
wurde langsam wieder dunkel und ein Donnern zog durch die Wolkendecke. Es würde
wieder regnen. Ich sah auf und schaute zur Kirche. Wenn er noch am Leben war,
würde er vermutlich dort warten. Es war der einzige Ort, der noch als
Treffpunkt in Frage kam. Aljoscha kam zu mir.
             „Weißt du, wo er hingegangen sein
könnte?“ Mein Blick ruhte immer noch auf dem Kirchturm.
             „Ja. Wir haben diese Kirche dort als
Treffpunkt ausgemacht. Falls etwas Unerwartetes passieren würde, wollten wir
uns da wieder treffen“ Er sah auch zur Kirche und atmete einmal tief durch.
             „Okay, das wird knifflig. Ich glaube,
dieser Teil steht auch schon unter Wasser. Wenn wir dahin wollen, sollten wir
uns besser beeilen. Nach dem nächsten Regenguss könnte es noch schlimmer
aussehen.“ Die ersten Regentropfen erreichten mein Gesicht und zeitgleich wurde
mir wieder bewusst, wie durchnässt ich war und wie schrecklich ich fror. Mein
Körper schüttelte sich kurz, ohne dass ich Kontrolle darüber hatte.
             „Dann gehen wir besser sofort los.“ Ich
war im Begriff, das Dach wieder zu verlassen, als mit einem Mal ein
Motorgeräusch zu hören war. Wir gingen sofort auf die Knie und warteten kurz.
Aljoscha und ich tauschten Blicke aus. Er schien überrascht, doch nicht
besonders alarmiert. Ich versuchte ruhig zu bleiben und krabbelte ganz langsam
Richtung Dachrand.   Es kostete mich viel
Überwindung und mein Herz flatterte bereits unkontrolliert, aber ich zwang mich
hinunter zu sehen. Zum Glück, lag ich flach auf dem Boden. Meine Finger versuchten
instinktiv sich in den Beton zu graben um Halt zu finden. Du kannst nicht
runterfallen Milla. Reiß dich zusammen! Unten sah ich eine ganze Kolonne
von Fahrzeugen die Straße entlang fahren. In jedem saßen mindestens drei
Soldaten. Sie fuhren in Richtung des Randes der Altstadt. Ich sah zu Aljoscha,
der nun direkt neben mir kniete.
             „Wo fahren die alle hin?“ Es war nicht
zu überhören, wie meine Stimme zitterte.

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