Salvatore, R.A. - Todfeind2
erfolgreich lösten. Völlig erschöpft, aus freiem Willen halb verhungert, teils immer noch vom Feuer gezeichnet und auf dem Weg der Genesung, musste Cormack sich fragen, ob sie überhaupt aus eigenen Kräften stehen konnten, wenn er sie erst einmal von ihren Fesseln befreit hätte.
»Eure Leute rücken wieder vor«, sagte er. »Männer und Frauen sterben da oben.«
Androosis hob den Kopf und sah den Mönch an. Cormack konnte seinen Gesichtsausdruck einfach nicht deuten. Fühlte er sich verraten? War er wütend auf Cormack? Oder nur verwirrt?
»Ihr wollt, dass wir unserem Glauben abschwören«, sagte der Schamane mit brüchiger und schwacher Stimme. »Eher würden wir sterben.«
»Ich weiß.«
Die einfache, klare Antwort rief bei dem Schamanen und Androosis einen neugierigen Blick hervor, und das gab Cormack einige Hoffnung. Er steckte die Fackel in eine Wandhalterung und ging vor der Holzwand auf und ab. »Wir müssen tiefer hinuntersteigen«, sagte er, während er Androosis’ Fesseln löste.
»Weil Ihr befürchtet, dass meine Leute Euer lächerliches Schloss überrennen«, sagte Toniquay der Schamane. »Ihr bringt uns aus reiner Verzweiflung weg!«
Cormack umrundete schnell die Barriere und blieb vor dem immer noch gefesselten Schamanen stehen. »Eure Leute werden die Mauer nicht überwinden. Jetzt nicht und in Ewigkeit nicht. Sie werden bis auf den letzten Mann und die letzte Frau getötet, wenn wir dem kein Ende setzen.«
»Ihr bezweifelt die Macht …«
»Seid still«, sagte Cormack. »Mehr als zwanzig von Euren Leuten sind schon tot. Mehr noch sterben im Augenblick. Sie werden nicht aufgeben und sie werden auch nicht weitermachen können. Ihre Gefolgschaft zu Euch ist lobenswert – aber auch töricht.«
»Was wollt Ihr, das wir tun?«, ergriff Androosis das Wort, und Cormack war froh darüber, denn Toniquay wollte schon wieder zu einer störrischen Erwiderung ansetzen. Dabei war die Zeit zu knapp für Streitereien. Er ging zur Wand zurück und befreite alle drei, wobei Toniquay der Letzte war.
Während sie die Fesseln abstreiften und sich aus dem Moder und dem Urin und den Fäkalien erhoben, ging Cormack zur Wandhalterung und nahm seine Fackel heraus.
»Folgt mir dichtauf und so schnell Ihr könnt«, wies er sie an.
»Und wenn wir das nicht tun?«
Cormack drehte sich mit einem tiefen Seufzer um und zog gleichzeitig ein Messer. »Dann ist es heute zu Ende«, sagte er. »Ich zeige Euch den Weg aus diesem Gefängnis, oder …« Er hielt das Messer hoch. »… es ist jetzt zu Ende.«
»Und warum sollten wir Euch glauben?«
»Haben wir eine andere Wahl?«, fragte Androosis und gab Cormack ein Zeichen loszugehen.
Zu Cormacks Erleichterung folgten sie alle, wobei Androosis dem verbrannten Mann half, ihn sogar auf die Arme nahm und trug. Das ließ Cormack innehalten – würden sie die geplante Flucht überhaupt schaffen?
Sie gingen durch die Tür am Ende des Tunnels und erreichten eine Kammer, wo der See den größten Teil des Fußbodens bildete.
»Ich erwarte und hoffe, dass Ihr alle gute Schwimmer seid«, sagte Cormack, legte die Fackel beiseite und zog seine schwere Kutte aus. Dann hielt er wieder inne und ließ sich sein Vorhaben durch den Kopf gehen. »Ich kann nicht«, sagte er schließlich.
Androosis schaute ihn besorgt an. »Wir gehen nicht zurück«, erklärte er.
Cormack schüttelte den Kopf und zeigte den vier Gefangenen, dass es nicht das war, was er meinte. »Ich kann nicht ins Wasser gehen und das Gitter öffnen, wie ich es vorhatte«, erklärte er. »Wenn ich mit nassen Haaren zu meinen Leuten zurückkehre, wissen sie von meiner Mitwirkung.«
»Gitter?«, fragte Androosis.
»Ein einfaches Maschennetz mit geringer Verstärkung«, sagte Cormack und deutete zur nordwestlichen Ecke des Tümpels. »Dahinter befindet sich ein kurzer Tunnel – ein einfacher Weg in die Freiheit.«
Androosis schaute Cormack lange und eindringlich an. Er setzte seinen Gefährten behutsam auf den Boden, watete in den dunklen Teich und ging weiter, bis ihm das warme Wasser bis zur Taille reichte, ehe er ganz untertauchte. Während Canrak, der vierte Barbar, den verbrannten Mann mit dem Arm stützte, starrte Toniquay Cormack unnachgiebig an.
»Habt Ihr Angst vor meinem Volk?«, fragte er mit einem verzerrten Grinsen.
Cormack wischte seine Bemerkung mit einem spöttischen Lächeln und einem Kopfschütteln beiseite. Dabei löste er den Blick nicht von dem Punkt, wo Androosis verschwunden war.
»Wenn das
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