Salvatore, R.A. - Todfeind2
wir auf diese verfluchte Insel gekommen sind, haben wir nichts anderes getan, als Steine aufzuschichten.«
»Verflucht?«, gab Giavno kopfschüttelnd und mit einem Gesichtsausdruck tiefer Missbilligung zurück. »Wir wurden nach Norden ins eisige Alpinador geschickt, um mit dem Bau einer Kapelle zu beginnen, Bruder. Zum Ruhm des heiligen Abelle. Nennst du das etwa verflucht?« Er deutete nach links, über den Hügelkamm hinweg und auf die kleine Kirche aus Stein, die die Brüder erbaut hatten. Sie hatten sie auf den höchsten Punkt der Insel gestellt. Sie beherrschte die Aussicht, obgleich der quadratische Bau eine Seitenlänge von nicht mehr als dreißig Fuß hatte.
Cormack stemmte die Hände in die Hüften, lachte und schüttelte hilflos den Kopf. Sie hatten die Kapelle Pellinor in Vanguard vor mehr als drei Jahren voller Erwartung und mit einer großen Aufgabe im Geist verlassen. Sie sollten das gebirgige Nordland von Alpinador, Heimat der heidnischen Barbaren, durchwandern und das Wort des heiligen Abelle verbreiten. Sie wollten mit ihrer Edelsteinmagie und der Wahrheit und Schönheit ihrer Botschaft Seelen retten.
Aber sie waren nur auf Streit und Gewalt gestoßen, und jedes ihrer Worte war von den stolzen und starken Nordmännern als Beleidigung empfunden worden. Ständig um ihr Leben rennend, anstatt Bekehrungsarbeit zu leisten, hatte sich die kleine Schar schon bald verlaufen und irrte seit Wochen ziellos umher, während ringsum der eisige Winter Einzug hielt. Die fast vierzig Mönche und ihre Diener in gleicher Anzahl hätten gewiss einen kalten und sinnlosen Tod gefunden, doch sie stießen auf diesen Ort, einen großen warmen See, von dessen Fluten ständig Dampf aufstieg. Darin lagen kleine und große Inseln. Pater De Guilbe, der ihre Gruppe führte, erklärte es zu einem Wunder und entschied, dass sie hier, auf diesem Gewässer, ihre Mission erfüllen und ihre Kapelle erbauen würden.
Ausgerechnet hier, dachte Cormack, auf einem Felsklotz mitten im Wasser.
»Steine«, brummte Cormack, und er bückte sich tief hinab und packte den schweren Stein abermals und schleuderte ihn diesmal weit über den Hügelkamm.
»Im See wimmelt es von Fischen und Nahrung. Hast du schon mal solch wunderbares Wasser getrunken?«, fragte Giavno beschwörend. »Das warme Wasser hat uns vor dem alpinadoranischen Winter gerettet. Du solltest ein wenig dankbarer sein, Bruder.«
»Wir wurden nicht nur hierher geschickt, um zu überleben.« Giavno stimmte eine weitere lange Predigt über die Pflichten und Aufgaben eines Mönchs von Abelle an, darüber nämlich, welche Opfer von ihm erwartet wurden und welche Belohnung auf sie alle wartete, sobald sie die Fesseln ihrer Sterblichkeit abgelegt hätten. Er zitierte ausführlich aus dem großen Buch. Aber Cormack hatte kein Ohr dafür, denn er folgte seiner eigenen Litanei gegen die Verzweiflung. Es gab eine unerwartete, aber umso sicherer gewährte Gnadenfrist, die ihm, wie er hoffte, vielleicht zu den wichtigen Antworten auf die Ansinnen dieser an Wirrnissen so reichen Straße namens Leben verhalf …
Sie glitt von dem Boot weg, während es auf den Strand rutschte. Ihre Bewegungen waren so sanft und fließend wie die leise plätschernden Wellen. Der Mond, Sheila, war in dieser Nacht fast voll, stand am Himmel hinter und über Milkeila und zeichnete ihr Bild noch weicher. Sie trug nur wenig Kleidung, wie es für jedermann am warmen See Mithranidoon üblich war, außer für die Mönche in ihren dicken wollenen Kutten.
Cormack spürte seine dicke Robe jetzt überdeutlich an sich. Deshalb wurde er beinahe verlegen, denn sie passte nicht zu der sanften, warmen Brise.
Milkeilas Hand wanderte zu ihrer Hüfte, während sie auf ihn zukam, sie löste ihren kurzen Rock und ließ ihn ganz fallen. Immer noch auf ihn zugehend, zog sie sich auch das Oberteil über den Kopf. Sie war ohne Scham, fühlte sich dabei nicht unbehaglich, war nur schön und nackt bis auf den Schmuck – Ketten mit Muschelschalen, Raubtierklauen und -zahnen – um ihren Hals sowie ein Armband und eine Fußkette gleicher Machart. Eine große Feder war in ihr Haar geflochten.
Es war das erste Mal, dass Cormack sie nackt sah, aber es kam ihm keinen Deut vertrauter vor als beim letzten Mal, als er sie gesehen hatte. Das war bei dem Treffen zwischen den Schamanen von Milkeilas Stamm, Yan Ossum, und einigen ausgewählten Brüdern der Kapelle Isle gewesen. Damals hatte er es sofort gewusst, und sie hatte es auch
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