Salz der Hoffnung
ohne sie zu begrüßen, an Edwina: »Könnte ich dich wohl einen Moment sprechen? Hier vor der Tür, bitte.«
Edwina drückte Regals Hand. »Ach, stör uns nicht, Cameron. Regal und ich führen gerade ein vertrauliches Gespräch. Und sie wird heute abend mit uns essen.«
Die Tage wurden grau und kalt, doch Regal war entschlossen, heiterer Stimmung zu bleiben. Nie wieder würde sie zulassen, daß sie in Depressionen versank, denn sie fürchtete, es könne zu der Krankheit führen, die ihre Mutter verzehrt und letztlich umgebracht hatte. Seit sie die Wahrheit über Jack Proctor wußte, fühlte sie sich, als sei eine Last von ihren Schultern genommen. Doch gleichzeitig kam sie zu der Erkenntnis, daß es ihr letzten Endes gleich war. Sie verspürte nicht den Wunsch, ihn kennenzulernen. Ihr Vater war kein Schatten mehr, er existierte ganz einfach nicht. Eines Tages würde sie ihre Anwälte anweisen, die Geburtsurkunde offiziell richtigstellen zu lassen, um Basil Mulgrave zu rehabilitieren.
Aber noch nicht. Derzeit war ihr alles recht, was ihn dazu bewegen mochte, sich um Jorges Freilassung zu bemühen.
Von all den Journalisten war Caroline Smythe die einzige, die sie jetzt noch besuchte. Und obwohl Regal überzeugt war, daß Caroline ein gar zu persönliches Interesse an Jorge hatte, ermutigte sie sie stets, wiederzukommen, weil sie hoffte, die Journalistin könne ihr helfen, etwas über ihn zu erfahren. Bislang war Regal auf eine bürokratische Mauer des Schweigens gestoßen. Niemand wollte ihr sagen, wo er sich befand. Die Anwälte richteten rein gar nicht aus, und David Collins war tot. Der Admiral, Arthur Phillip, war nicht zu sprechen. All ihre Briefe an das Kriegsministerium waren unbeantwortet geblieben.
Statt dessen erreichte sie ein Brief von Victor Howth, worin er sie aufforderte, zukünftig nicht mehr den Namen Howth, sondern wieder ihren Mädchennamen zu führen. Regal sparte sich die Mühe, ihm zu antworten, es sei ihr ein Vergnügen.
Sie kleidete sich mit Sorgfalt, wählte ihr elegantestes Tageskleid, und der passende Umhang verdeckte bescheiden die erstklassig geschneiderte, blaugraue Pracht. Dazu ein dezenter grauer Hut. Das Ergebnis war ein ruhiger, respektabler Gesamteindruck, doch demonstrativ steckte sie eine Brosche an den blauen Samtkragen, die wie ein Farnwedel geformt war und aus wundervollen, lupenreinen Diamanten bestand.
Regal seufzte. Es war beinah ein Schluchzen. Die Brosche war eines von den Stücken, die sie auf Edwinas Anraten hin gekauft hatte, als Jorge König von Island geworden war. Sie brauche Schmuck, mit dem sie sich sehen lassen könne, hatte Edwina erklärt. Eine Gelegenheit, ihn zu tragen, hatte sich nie ergeben, es sei denn heute, da sie persönlich bei den zuständigen Leuten in der Regierung vorstellig werden wollte, um für Jorge zu sprechen. Zu bitten und zu betteln, wenn es nötig wäre. Irgendwer würde sie schon anhören.
Die Herren, mit denen sie sprach, waren freundlicher, als sie erwartet hatte, doch sie wurde von einem an den nächsten verwiesen, man bot ihr zahllose Tassen Tee an, führte sie durch diverse Abteilungen des Kriegsministeriums, bis all die Namen schließlich in ihrem Kopf verschwammen. Zu guter Letzt eskortierte man sie zu ihrer Kutsche und versprach, man werde sich der Angelegenheit annehmen. Inzwischen kochte Regal vor Wut. Sie hätte sie am liebsten angeschrien, dieses selbstzufriedene Pack, diese Idioten mit ihrem jovialen Lächeln und ihrem dummen Gerede über das scheußliche Wetter. Wen kümmerte das verdammte Wetter? Es war ihr unendlich schwergefallen, den Mund zu halten, nett und freundlich zu bleiben und sie möglichst geschickt zum eigentlichen Thema zurückzulotsen, nämlich Captain Jorgensen, seinen Aufenthalt und seine Haftentlassung. Alles in allem war es reine Zeitverschwendung gewesen.
Ärgerlich betrat sie das Haus. Morgen wollte sie Basil Mulgrave aufsuchen und feststellen, ob er überhaupt schon irgend etwas unternommen hatte. Als der Diener ihren Mantel nahm, berichtete er, sie habe einen Besucher, und gab ihr dessen Karte.
Major Martin Reynolds.
In ihrem Zorn erwog Regal, ihn einfach zu ignorieren und hinauskomplimentieren zu lassen, aber dann entschied sie sich anders. Möglicherweise bestand eine Chance, ihn zu
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