Salz der Hoffnung
frühstückten spät. Regal litt an hämmernden Kopfschmerzen – die Folge von zuviel Wein beim gestrigen Dinner – doch sie gab vor, sich gut zu fühlen. Letzte Nacht hatte er kaum Wirkung gezeigt, jetzt dafür um so deutlicher – genau wie Edwina ihr prophezeit hatte.
»Das ist ein hübsches Kleid, Liebes, die Farbe steht dir gut«, sagte Maria.
»Das finde ich nicht«, widersprach Edwina. »Ich finde, es ist eine nichtssagende Farbe. Gelbtöne sind nichts für blonde Frauen, sie passen viel besser zu kastanienbraunem Haar wie meinem.«
Regal lächelte vor sich hin. Edwina hätte wohl auch noch einem Erzengel widersprochen. Für ehemalige Schwägerinnen waren Maria und Edwina gute Freundinnen. Maria akzeptierte Edwinas Gründe, aus denen sie sich von Jack getrennt hatte, aber sie hörte es nicht gerne, wenn man ihren Bruder kritisierte, und so war es für den Frieden im Hause besser, dieses Thema zu meiden. Edwina wurde wütend, wenn sie nur an Jack dachte, und Regal war unfreiwillig zur Klagemauer geworden, mußte sich die endlose Liste seiner Fehler und Sünden anhören. Sie fragte sich, warum Edwina so versessen auf einen neuen Mann war, wo sie doch gerade einer so unglücklichen Ehe entronnen war.
Regal hörte zu, während sie über Edwinas Entschluß sprachen, ein Haus zu mieten, und darüber, wo sich wohl etwas Geeignetes finden ließe. Ihr ging auf, daß sie Maria vermissen würde. Im Grunde verspürte Regal keine große Lust, allein mit Edwina zu leben, die manchmal gehässig und selbstsüchtig sein konnte. Oft bezichtigte sie Regal allerdings genau derselben Fehler. Vielleicht konnte Regal sie überreden, ihre Pläne aufzuschieben.
»Edwina, warum gehen wir nicht ein wenig auf Reisen, bevor du dich für ein Haus entscheidest? Es gibt so viel zu sehen hier drüben.«
»Aber überall tobt doch dieser Krieg gegen Napoleon«, wandte Edwina ein.
»Es gibt so viele Länder in Europa, sie können doch nicht alle Krieg führen?«
»Sie sind alle irgendwie darin verwickelt, und außerdem gibt es im Moment keinen Passagierverkehr über den Kanal. Die Franzosen würden die Schiffe versenken.«
»Warum fahren wir dann nicht nach Irland? Es heißt, es sei so ein wunderschönes Land.«
»Aber Liebes, Irland ist noch schlimmer. Die Iren führen auch Krieg gegen die Engländer.«
»Aber wir sind Amerikaner, sie würden uns nichts tun.«
»Jetzt hör endlich auf, Regal. Dieses Kind gibt nie Ruhe, Maria, sie würde die ganze Welt auf den Kopf stellen, um sie nach ihrem Willen gestalten zu können.«
»Es wird wunderbar sein, euch beide in der Nähe zu haben«, sagte Maria. »Ich habe die Engländer als sehr aufgeschlossene und geistreiche Menschen schätzengelernt, aber es ist doch herrlich, euch hier zu haben, meine eigenen Landsleute.«
Regal häufte Brombeermarmelade und Schlagsahne auf einen kleinen Pfannkuchen, und Edwina runzelte die Stirn. »Stopf dich nicht so voll, Regal. Bei heißen Pfannkuchen kennst du überhaupt keine Zurückhaltung.«
Das Mädchen kam mit der Morgenpost herein. Es war ein Brief für Regal aus Boston dabei, von Leonard Rosonom natürlich. Niemand sonst schrieb ihr von dort. Sie legte ihn unter ihren Tellerrand, um ihn später in Ruhe zu lesen, und gab vor, Edwinas ärgerlichen Blick nicht zu bemerken.
Maria sprang plötzlich auf und verstreute den Rest der Post auf dem Boden. »Meine Lieben, endlich!« rief sie selig. »Ein Brief von David.« Sie öffnete ihn vorsichtig und begann zu lesen. »Du meine Güte! Der junge Jorge ist bei David aufgetaucht, am anderen Ende der Welt! Er ist ein Filou, ich erzähle euch später von ihm.«
Sie trat mit dem Brief ans Fenster, um besseres Licht zu haben, blätterte die Seiten behutsam um, und Regal dachte schon, sie werde niemals fertig mit der Lektüre. Edwina schenkte ihr Kaffee nach und wartete, daß Maria zum Tisch zurückkehrte, aber statt dessen ließ sie sich in einen nahen Sessel fallen, wandte ihnen den Rücken zu und las den Brief noch einmal.
»Was gibt es für Neuigkeiten?« fragte Edwina. »Ich kann es kaum erwarten, sie zu hören. Wann kommt er nach Hause?«
Maria ließ die Blätter in ihren Schoß fallen, als sei plötzlich alle Kraft aus
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