Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
gesagt?“
„Nein.“
Die Sängerin starrte das Mädchen entgeistert an. Delacroix ’ Gemahlin wirkte immer so jung, daß man unwillkürlich dazu neigte, sie wie eine Debütantin zu behandeln und ihr Ratschläge zu erteilen, die sie gar nicht brauchte. Sie war tatsächlich jünger als Cérise, doch wahrscheinlich nicht mehr als ein oder zwei Jahre – nun ja, drei möglicherweise. Ihr Fey-Erbe beeinflußte ihren Alterungsprozeß ausgesprochen positiv. Cérise war neidisch auf diese Gabe. Aber neidisch oder nicht, sie hatte kein Recht, der Gattin ihres Liebhabers Ratschläge für die Ehe zu erteilen. Dreist wäre das und aufdringlich.
Sie tat es trotzdem.
„Sie müssen es ihm sagen! Er hat ein Recht, es zu wissen. Er wäre gar nicht erst in die Berge verschwunden, wenn er das gewußt hätte.“
Zu ihrem Unbehagen begann Mrs. Fairchild auf diesen Satz hin zu weinen. Sie barg ihr Gesicht in den Händen, und ihre Schultern zuckten.
„Wenn er stirbt, ist es mein Fehler“, würgte sie zwischen einzelnen Schluchzern hervor.
„Du lieber Himmel! Natürlich nicht!“ beeilte Mlle. Denglot sich zu versichern und wünschte sich weit, weit weg. „Das habe ich doch nicht so gemeint. Bitte beruhigen Sie sich, Mrs. Fairchild!“ Sie hielt inne, unsicher, wie sie mit der unangenehmen Situation umgehen sollte. „Corrisande!“ fuhr sie dann fort. „Ich darf Sie doch so nennen? Schließlich habe ich Sie im Frühjahr auch so genannt, bevor ... bitte ...“ Sie blickte etwas hilflos auf die weinende Frau vor ihr.
Dann kniete sie sich neben Delacroix ’ feingliedrige Ehefrau und nahm sie am Arm.
„Corrisande! Reißen Sie sich zusammen! Sie sind doch eine tapfere Frau! Sie haben die Außenmauer unseres Hotels erklommen, um uns zu warnen, und es hat dabei geregnet, und Ihre Hände waren gefesselt. Sie haben es trotzdem getan. Also verkneifen Sie sich jetzt bitte irgendwelche nervösen Zustände. Delacroix würde den Schock seines rücksichtslosen, männlichen Lebens bekommen, wenn er wüßte, daß Sie sich inmitten einer Krise Zeit für einen Weinkrampf gönnen.“
Sie spürte, wie die andere Frau mit Macht um Fassung rang.
„Es tut mir leid“, entschuldigte sich Corrisande nach einer Weile und wischte sich die Tränen ab. „Ich hätte mich nicht so gehenlassen dürfen. Es ist unentschuldbar. Doch in letzter Zeit scheine ich unter schrecklichen Launen zu leiden.“
„Nun“, erwiderte Cérise trocken, „Unausgeglichenheit und Gemütsschwankungen gehören zu Ihrem Zustand dazu.“
„Ach ja?“ fragte Corrisande.
„Wußten Sie das nicht?“
Die junge Frau lächelte verschämt.
„Ich weiß nicht viel über – den Zustand.“
„Meine liebe Corrisande, in diesem Fall schlage ich Ihnen dringend vor, einen Arzt oder eine Hebamme aufzusuchen, die Ihnen darüber Auskunft gibt.“ Cérise hatte wenig Verständnis für Frauen, die sich mit ihren geschlechtsbedingten Eigenarten nicht befaßten. Britinnen waren besonders lebensfern, wie sie fand, und gaben aus lauter Schamhaftigkeit vor zu glauben, daß der Storch die Kinder brachte und sexuelle Leidenschaft etwas war, das man am besten ignorierte.
Allerdings glaubte Cérise nicht, daß die junge Frau die geschlechtliche Seite der Ehe besonders gut ignorieren konnte. Nicht mit einem Ehemann wie Delacroix. Er war heißblütig, sexuell aktiv und über alle Maßen leidenschaftlich – wie sie sehr genau wußte. Ein feuriger, wilder Liebhaber war er gewesen. Doch sie vermißte ihn nicht. Torlyn bot mehr, als ein menschlicher Mann je bieten konnte.
Corrisande errötete wieder.
„Nun, als wir England verließen, wußte ich es noch nicht, und später ... war es zu spät.“ Die Aussage klang ein wenig verworren, doch Cérise verstand. „Außerdem kenne ich keine Ärzte oder Hebammen, die sich darauf spezialisiert haben, Frauen zu behandeln, die nicht ... nicht ganz ...“ Sie atmete tief durch. „Die keine Menschen sind. Ich weiß nicht, wen ich fragen soll.“
„Oh“, flüsterte Cérise und begann zu begreifen. „Ist es das, was Ihnen Sorgen bereitet?“
Corrisande nickte und fuhr fort: „Ich hatte gehofft, den Aufenthaltsort Graf Arpads zu erfahren. Er ist der einzige Feyon, den ich kenne, und könnte mir sicher die eine oder andere Frage beantworten. Es ist so frustrierend, wenn man nichts über sein Erbe und dessen mögliche Auswirkungen weiß. Falls es Ihnen nichts ausmacht, daß ich ihn um Rat bitte.“
Cérise erhob sich und begab sich zurück zu ihrem
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