Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Delacroix hatte ihn genau auf den Punkt getroffen. Asko von Orven, der auch gerne mal in den Ring stieg und ein guter Boxer war, hätte ihm selbst keinen besseren Hieb versetzen können.
Doch es war nicht das Kinn, das den Professor am meisten schmerzte. Der Würdeverlust kränkte ihn mehr.
Asko und sein Kollege hatten immer noch die Maschine überprüft, als Schreie aus dem Tunnel, in dem sich die Zelle befand, zu hören gewesen waren. Der Techniker hatte gegrinst, denn er hatte die Schreie den Gefangenen zugerechnet. Asko hatte zurückgegrinst, wenngleich aus einem anderen Grund.
Kurz darauf wurde jedoch deutlich, wer da schrie, und Asko war fasziniert von der Flut unflätiger Vokabeln, die einem ergrauten Herrn aus den besten Kreisen zur Verfügung standen.
Sie waren zum Gefängnis gelaufen.
Sie hatten eine Weile gebraucht, die Tür zu öffnen. Kaum frei allerdings hatte Hardenburg sie alle zusammengerufen. Oder wenigstens hatte er es versucht. Doch man sagte ihm, daß der Meister ihm sich noch nicht widmen könne, da er beschäftigt war und nicht gestört werden wollte. Zudem fehlten vier Jäger, die am Grundlsee nach Sí suchten.
Der Rest der Männer, von denen die meisten geschlafen hatten, hatte keine Lust, ohne magische Unterstützung im Dunkeln ein Gebirge zu durchsuchen. Die Höhlen waren gefährlich, naß und glatt. Ein falscher Schritt brachte den Tod.
Von Orven sagte nicht viel zu all dem. Er schlug lediglich vor zu warten, bis Meister Marhanor fertig war und helfen konnte.
Hardenburg hatte das nicht gefallen, doch es war ihm nichts anderes übrig geblieben.
Jetzt jedoch saßen sie wieder alle beisammen, mit dem Meister in ihrer Mitte, der müde und voller Ungeduld war, und seine Reaktion brachte den Professor fast zur Weißglut. Er sagte einfach nichts.
„Meister Marhanor“, begann Hardenburg erneut. „Wir scheinen ganz plötzlich dreier Gefangener verlustig gegangen zu sein. Einer davon ein Kollege von Ihnen. Sie haben sie hierher gebracht. Sie haben sie nicht befragt, sondern sie den ganzen Tag in ihrem Loch versauern lassen.“
„Wo sie auch jetzt noch versauern würden, wenn Sie es nicht für nötig befunden hätten, sich einzumischen, Hardenburg“, gab der Magier schneidend zurück. Er schien dem Erfinder direkt in die Augen zu blicken, ein Ding der Unmöglichkeit für einen Blinden. Der zielgerichtete leere Blick machte alle nervös, und Asko mied ihn, fürchtete völlig irrational, der Mann könnte so einen Zugang zu seinen Gedanken finden.
„Sie vergessen sich, Marhanor. Sie sind angeheuert worden, um uns bei diesem Projekt zu unterstützen. Sie leiten es nicht. Ich leite es.“
„Sie leiten es schlecht, wie es scheint“, erwiderte der Magier. „Ich hatte gute Gründe, die Gefangenen erst einmal dort zu lassen, wo sie waren. Hunger und Durst sind überzeugende Motivatoren. Ich hatte ausdrücklich gesagt, daß ich mich selbst mit ihnen befassen wollte. Aber Sie konnten ja nicht widerstehen, sie ein wenig von Ihrer Überlegenheit kosten zu lassen, Hardenburg.“
„Und Sie konnten nicht widerstehen, sie ein wenig leiden zu lassen, Marhanor. Erzählen Sie mir nicht, daß Sie sie mit ein bißchen Hypnose nicht auch so zum Reden gebracht hätten, hungrig oder nicht. Wenn Sie das nicht können, dann muß ich sagen, habe ich Sie massiv überschätzt. Jeder Salonzauberer versteht sich auf ein paar Mesmerismustricks. Oder haben Sie sich vor der Macht ihres Kollegen gefürchtet?“
„Gewiß nicht“, zischte der Meister und zog dabei die narbigen Lippen von den Zähnen. Asko fand, daß er fast wie eine Schlange aussah.
Schweigen legte sich über die Anwesenden. Selbst Hardenburg schien etwas von der gefährlichen Wut zu fühlen, die in dem Magier brodelte. Doch sie hielt ihn nicht lange davon ab, weiter zu argumentieren.
„Nun, wenn Sie keine Angst hatten, dann frage ich mich, weswegen Sie sie nicht gleich befragt haben. Das wiederum bringt mich zu meiner ursprünglichen Frage zurück: Wie konnte es Ihnen entgehen, daß der Mann war, was er war? Denn es ist Ihnen entgangen. Leugnen Sie nicht!“
„Hardenburg! Um Ihretwillen, zeigen Sie etwas mehr Respekt!“ lautete die hitzige Antwort des Meisters. Asko unterdrückte ein Lächeln. Daß er drohte anstatt zu antworten, machte es deutlich: Hardenburg hatte recht.
„Marhanor, um unser aller Willen, zeigen Sie etwas mehr Einsicht!“ gab der Professor prompt zurück. „Es sind drei potentielle Spione im Berg unterwegs. Sie
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