Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
gefragt.
„Fürst Iascyn!“ rief sie ein drittes Mal.
Eine Welle traf sie, hob sich aus der eben noch ruhigen Seeoberfläche und spülte über den Steg hinweg. Der Saum ihres Kleides wurde naß. Sie zwang sich, nicht zurückzuweichen, sondern weiter auf die Fluten zu blicken. Aus dem hellen Spiegel formte sich ein Gesicht.
Himmel, war er schön! Seine großen, ausdrucksvollen Augen wechselten andauernd die Farbe, glitzerten wie der See selbst – weiß, grünlich, blau und manchmal sonnengold. Lange, moosgrüne dunkle Wimpern rahmten diesen Blick. Sein Haar hatte die gleiche Farbe. Es trieb im Wasser um seinen Kopf wie ein Glorienschein. Sein Mund war sinnlich und erinnerte sie so sehr an Torlyn, daß sich ihr Herz zusammenkrampfte.
Er erhob sich bis zur Körpermitte aus dem Wasser, sein Torso war nackt und muskulös.
„Was willst du, Menschin?“ Er klang entspannt und gelangweilt, vielleicht sogar ein wenig entnervt. Er hatte keine Lust, sich von ihr stören zu lassen.
Sie knickste höflich und ignorierte die spitzen Zähne in seinem Mund.
„Ich bitte darum, mit Ihnen sprechen zu dürfen. Ich bin Sophie. Ich bitte um eine Gunst.“
Er lachte überheblich.
„Was läßt dich glauben, ich hätte Gunst zu verschenken? Was läßt dich glauben, ich hätte überhaupt etwas zu verschenken?“
„Die Dinge müssen im Gleichgewicht sein. So hat es mich mein Liebster gelehrt“, entgegnete sie behutsam. „Wer nimmt, muß auch geben, oder er ist ein Zerstörer. Sie haben heute Nacht viel genommen.“
„Was geht dich das an? Das Leben und die Entscheidungen der na Daoine-maithe sind jenseits deines Verstandes.“
„Das weiß ich“, erwiderte sie und kämpfte gegen das ängstliche Unbehagen an, das langsam von ihr Besitz ergriff, versuchte, nichts zu zeigen als perfekte Fassung. Dabei wußte sie allzu genau, daß er ihren Gemütszustand auch durch die Fassade äußerlicher Ruhe lesen konnte. „Mein Liebster war … ist einer von euch. Er hat mich manches gelehrt.“ Sie holte tief Luft. „Sie können die Frau nicht behalten. Sie kann Ihnen nicht gehören.“
„Menschin, versuchst du mir zu sagen, was ich tun darf und was nicht?“ Seine Stimme war leise, doch schien sie direkt in ihren Ohren zu tönen, hallte wider in ihrem Herzen und ließ ihren Mut bröckeln. „Du bist dreist. Weißt du nicht, daß ich dich mit einem Gedanken töten kann?“
Sie versuchte, die Angst nicht zu zeigen, die seine Worte, sein ganzes Wesen in ihr auslösten. Sie hielt die Füße eisern still, obgleich sie danach drängten, auf festen Boden zurückzulaufen. Sie neigte den Kopf und rang sich ein höfliches Lächeln ab.
„Ich weiß. Ich weiß, daß Sie mich töten können und ich nichts gegen Ihre Macht ausrichten kann. Doch die Menschen in diesem Tal leben friedlich und lieben den See, vertrauen ihm. Deshalb weigere ich mich zu glauben, daß Sie ein Zerstörer sind und hoffe, Sie vergeben mir meine Offenheit. Das Mädchen, das Sie gestern Nacht … getroffen haben, ist nicht frei, und Sie haben ihr keine freie Wahl gelassen. Sie haben sie sehr unglücklich gemacht.“
Er lächelte. Ihr Herz raste ob der durchdringenden Pracht dieses Lächelns.
„Ganz im Gegenteil. Ich habe sie sehr glücklich gemacht. Ihre Seele ist so großzügig wie ihr Körper, und beide genoß ich. Sie ist mein. Sie wird glücklich sein.“
„Bei allem nötigen Respekt – Sie können sie nicht haben. Sie liebt ehrlich und aufrichtig einen anderen. Sie trägt sein Kind. Außerdem brauchen wir sie dringend, damit sie uns hilft, die Menschen zu befreien, die im Berg eingeschlossen sind. Sie wissen von diesen Menschen? Wissen Sie auch von den anderen, die in den Bergen Vernichtung planen, die Vernichtung Ihrer Rasse wie der meinen? Wir brauchen die Frau.“
Er sah sie aufmerksam an, ohne zu antworten, und so fuhr sie fort: „Einer der im Berg Gefangenen ist von Ihrer Art. Mein Herz wird zerspringen, wenn wir ihn nicht retten können.“
Sein Lächeln wurde spöttisch.
„Der Mann, der dich manches lehrte?“ fragte er, und sie nickte. „Da haben wir ihn also wieder, und ich dachte, du wärst tatsächlich an dem Wohlergehen meiner kleinen Nereide interessiert. Einen Moment lang habe ich dir fast geglaubt, Menschin.“
„Sie können mir glauben, Hoheit. Ich mache mir Sorgen um sie und um ihr Kind. Sie wiederum macht sich Sorgen um ihren Ehemann. Ihre Mutter ist tot, so hat sie nur mich, die für sie spricht.“
„Sie scheint unter einem
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