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Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Beute hatte er lange nicht gespielt.
    Die Schüsse gellten durch die Nacht. Jeden Knall warf der Fels zurück. Das pfeifende Konzert der Querschläger war vermutlich im ganzen Tal zu hören.
    Sechs Männer, die auf dem Geröll herumstiegen, richteten mehr Schaden an als einer. Schon stürzten sie auf dem Schotter, glitten auf kleinen Steinlawinen bergab, balancierten wie Matrosen auf dem Deck eines sturmgebeutelten Schiffes. Einige fluchten. Andere stolperten. Einer schrie und rollte den ganzen Hang bis zum Wald hinunter. Alle zusammen störten sie das Arrangement der Steine, die nur so lange locker auf einander hielten, wie niemand sie unmäßig belastete.
    Der Sí traf wieder auf den Weg, eine Windung höher, und rannte ihn entlang zum Eingang. Dieser war kaum breiter als eine normale Pforte.
    Er stellte die Frau auf die Füße, und sie lehnte sich gegen den Fels. Im Dunkeln konnte sie nicht sehen, wie seine Fingernägel zu Klauen wurden und raubtiergleich aus dem Nagelbett schossen. Er riß mit roher Gewalt an den Brettern. Sie waren alt, die Nägel verrostet. Augenblicke später war der Eingang frei.
    Doch Augenblicke konnten lange dauern. Er hörte nie auf, sich zu bewegen, versuchte, kein stehendes Ziel abzugeben. Die Frau schon. Sie stand nur benommen da. Sie schrie auf, als eine Kugel neben ihrem Kopf in den Fels schlug und ihr Splitter ins Gesicht flogen. Sie hielt sich die Hände über den Kopf, versuchte, ihn zu schützen, als weitere Kugeln über ihr den Fels trafen und kleine Lawinen lossprengten, die schnell zu größeren Lawinen wurden. Kalkstein war spröde. Die ineinander geschobenen Felsbrocken hatten seit Jahrhunderten genau an dieser Stelle festgehangen. Doch jetzt löste sie die Wucht der Einschläge, hebelte an ihrem Schwerpunkt.
    „Nicht auf das Mädchen schießen!“ Das war von Orven.
    „Laßt ihn nicht entkommen!“
    Torlyn ergriff die Frau um die Taille. Es war ein Wunder, daß sie beide noch kein Schuß getroffen hatte. Einen Augenblick lang vermeinte er eine Macht zu spüren, die der seinen überlegen war. Keine Zeit nachzudenken.
    Das Knallen verebbte, wurde überlagert von einem neuen Geräusch. Gestein rutschte, fiel, kleine Steine zuerst, dann größere, dann riesige Blöcke. Direkt über seinem Kopf donnerten sie nach unten.
    Er warf das Mädchen in den Stollen und sprang hinterher. Die morschen alten Holzbalken, die den Eingang stützten, ächzten und knackten. Er fühlte, wie der Berg sich bewegte, sich vor Mißbehagen schüttelte ob der Respektlosigkeit der Verfolger und dann niederging in einem Felshagel, der selbst die letzte Spur menschlicher Überheblichkeit wegzuwaschen vermochte.
    Er hörte draußen Flüche und Schreie. Doch er konnte sich nicht damit befassen, denn in diesem Augenblick gab der Träger über dem Eingang nach und zerbarst zu Staub. Arpad rollte sich seitlich ab. Eine Sekunde später hatte er die Frau erreicht. Sie lag auf dem Rücken, so wie sie eben aufgekommen war. Ihr verstörtes Gesicht machte deutlich, daß sie nicht begriffen hatte, was geschah.
    Nun war er auf ihr. Keine Zeit aufzustehen, sie hochzuheben. Er ergriff sie bei den Armen, zog sie zu sich und rollte mit ihr weiter in den Stollen hinein. Dabei hielt er sie fest gegen seinen Körper gepreßt, umfaßte sie mit den Armen. Sie schrie auf, versuchte, sich zu befreien, doch er ließ es nicht zu, hielt sie nur ehern umklammert und rollte weiter mit ihr vom Eingang fort, während der Berg sich hinter ihnen schloß.
    Das Donnern war noch eine Weile zu hören. Der Berg hatte sich den Angreifern in den Weg geworfen. Felsbrocken und Steinchen regneten herab, verteilten sich neu, folgten einem plötzlichen Ruf der Schwerkraft. Der Fels brüllte vor Wut.
    Dann endete das Toben. Selbst für ihn war die Welt dunkler geworden, die Schatten tiefer. Salzdunst hing in der Luft, er sah ihn glitzern. Er schaute zum Eingang. Es gab ihn nicht mehr. Er war verschlossen mit Steinen und Geröll. Kein Sternenlicht, kein Mondschein drang herein. Sie hatten ihre Jäger abgehängt, doch der Preis war hoch. Sie waren gefangen.
    Er merkte, daß er auf dem Körper der Frau ruhte, verheddert in ihrem weiten Mantel, seine Füße zwischen den ihren. Ihr Gesicht war voller Furcht, ihre Augen weit geöffnet, ihre Iris groß und schwarz in der Dunkelheit. Trotzdem mußte sie hier blind sein.
    Sie versuchte, die Hände freizubekommen. Ihr dicker Mantel jedoch hatte sie beide zu einem Bündel verschnürt, und sie konnte sich nicht

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