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Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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geschlossenen Lippen frustriert gelächelt, so wie das ihr Stil zu sein schien. Sie klang unsicher. „Man muß wohl akzeptieren, daß wir unterschiedliche Sichtweisen der Realität haben, Herr Leutnant. Vielleicht habe ich unrecht und sollte in der Lage sein, das Unglaubliche zu glauben. Doch es fällt mir allenthalben leichter, an betrügerische Machenschaften des Militärs zu glauben als an die militärische Nutzbarkeit von Mythen. Meine Meinung allerdings ist unerheblich. Meine Aufgabe hingegen ist es, Österreich zu dienen – so gut ich es vermag.“ Sie seufzte. „Es gibt Seilschaften bei Hofe, die meine Einmischung nur allzugerne unterbinden würden und durchaus auch in der Lage dazu sein mögen. Also werde ich mich nicht einmischen. Deshalb kann ich das Projekt“, sie deutete mit ihrer schmalen Hand auf den Ordner, „nicht zerstören. Die Zukunft des Landes mag davon abhängen.“
    „Majestät, was ist, wenn die Zukunft Ihres Landes davon abhängt, daß Sie es zerstören?“ fragte von Görenczy etwas zu keck zurück.
    Ihre Nase zuckte, und sie wich seinem Blick aus. Nach einer Weile redete sie einfach weiter, so leise und undeutlich wie eh und je. Eine Antwort auf seine Frage blieb aus. Von Görenczy verstand, daß sie gelernt hatte, sich mit Dingen, die sie allzusehr belasteten, nicht zu befassen.
    „Wenn das Projekt so geheim und aufwendig ist, wie Sie sagen“, fuhr sie fort, „dann müssen die Verschwörer in großem Maße Gelder des Ministeriums dazu abgezweigt haben – ohne kaiserliche Genehmigung. Das muß natürlich aufhören. Es ist allerdings kaum etwas, wobei Sie helfen können. Ich denke, es ist eine Aufgabe für die Geheimpolizei. Diese Herren suchen immer und überall gern nach Verschwörern. Vielleicht wäre es ihnen ja eine willkommene Abwechslung, sie einmal unter den Mächtigen zu suchen. Herrn Hardinger würde das sicherlich Freude bereiten. In gefährlichen Zeiten wie diesen ist das Veruntreuen von Militär-Budgets Hochverrat.“
    Wieder verebbte das Gespräch, und in von Görenczy wirbelten die Gedanken. Er fühlte sich ein wenig schwindlig. Der Schnitt über seinen Rücken, den man ihm erst einen Tag zuvor beigebracht hatte, machte sich bemerkbar. Seine Rippen schmerzten ebenfalls. Er brauchte dringend etwas zu trinken. Er würde sogar Wasser akzeptieren. Aber man konnte eine Kaiserin nicht gut um ein Gläschen bitten.
    Sie stand graziös auf, und er zwang sich, erneut Haltung anzunehmen und wach auszusehen.
    „Wir werden Sie kurz verlassen und untereinander konferieren. Bitte warten Sie hier.“ Sie schenkte ihm einen vielsagenden Blick, sah dann zu dem Ordner, der noch auf dem Tisch lag. Sie nahm ihn nicht mit, als sie und ihre Vertraute – und ebenso der Adjutant – den Raum verließen. Er salutierte so fesch wie möglich und versagte es sich, dabei zusammenzuzucken oder durch die Zähne zu zischen.
    Es war Ida Ferenczy, die dem Öfchen in einer Ecke des Raumes einen konzentrierten Blick zuwarf und dann die Tür hinter ihnen schloß.
    Etwas zu trinken. Ein Königreich für ein – Glas Wasser. Sie hatten ihm nichts dagelassen. Und warum nur hatten sie ihn hier allein gelassen? War es nicht weitaus üblicher, einen Besucher nach einer Audienz fortzuschicken, anstatt selbst zu gehen und den Audienzraum – mit ihm darinnen – hinter sich zu lassen?
    Er trat vorsichtig an das Tischchen heran und öffnete den Ordner, der ihm das Leben gerettet hatte. An der oberen linken Ecke war der Schriftsatz stark beschädigt, dort, wo die Kugel hindurchgegangen war. Blut klebte die Seiten zusammen und machte es schwierig den Ordner aufzuschlagen, um darin zu lesen. Die Tinte war zum Teil im Blut zerflossen.
    Doch das meiste konnte man noch lesen, und auch die Zeichnungen waren noch erkennbar.
    Ich kann das Projekt nicht zerstören, die Zukunft des Landes mag davon abhängen, hatte sie gesagt. Sie konnte nicht. Er schon. Es war nicht sein Land.
    Vorsichtig nahm er den Ordner hoch. Einen Befehl, dies zu tun, hatte er nicht erhalten. Es mochte ihm immer noch eine Anklage wegen Spionage und Verrat einbringen. Vielleicht würde er aus diesem verdammten Land nie mehr fortkommen – und ihm war gerade klargeworden, wie gerne er es verlassen würde, je eher, desto besser.
    Drei Schritte, und er stand am Ofen. Er öffnete die Ofenklappe, entzündete das Papier mit einer Kerze, die er als Brennstoff mitsamt dem Ordner komplett hineinschob. Der Ofen sah aus, als wäre er noch nie benutzt worden,

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