Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
überholte sie schließlich. Ein Felsen war ihr im Weg, und er hörte, wie sie dagegen anschlug und sich daran festkrallte. Ein hoher, vogelartiger Aufschrei gellte zu ihm, wort- und bedeutungslos. Ihr Fortkommen wurde einen Moment lang aufgehalten, und ihr langes Haar umfloß sie wie Schlingpflanzen in der Strömung, zog an ihr, zerrte sie weiter.
Bevor er sie noch erreichen konnte, wurde sie bereits weitergetragen, und so rannte auch er weiter, brach im Vorbeilaufen einen Ast vom Baum, trug das lange, schwere Holzstück mit derselben mühelosen Grazie, mit der er ein rohes Ei hätte tragen mögen. Wieder kam er gleichauf mit ihr, überholte sie, und diesmal hielt er ihr den Ast ins Wasser, und sie griff danach.
Er zog, und die Stärke des Rucks war zuviel für sie. Sie verlor den Halt und jaulte wie ein Seehund, ein Jammern voller Frustration und Verzweiflung. Er konnte ihre Angst und ihre Verwirrung spüren, auch ihre Schwäche, und er sprang vorsichtig nach vorne, ergriff ihr Handgelenk, bevor sie wieder im Wasser verschwinden konnte, und zerrte daran, während er gleichzeitig einen Satz nach hinten machte. Er verfluchte das Wasser, das bereits auf dem Weg zu ihm war, nach ihm zu greifen, ihn zu fangen und ihn zu erobern.
Er landete auf dem Rücken, hielt sie dabei in den Armen und rollte sofort weg von den Fluten, die ihm nachfolgten. Fast panisch krabbelte er das Ufer hoch, zog sie mit sich über die Steine, in Angst um seine eigene Sicherheit. Das Wasser flüsterte ihm zu, und er war sich im klaren, daß ihm bald mehr als nur Wasser etwas zu sagen hätte. Der örtliche Herr der Fluten würde auch eine höchsteigene Meinung zu der Angelegenheit haben.
Er nahm sie hoch und rannte zwischen die Bäume, bis er den Zorn des Stroms nur noch entfernt fühlte. Dann setzte er sich nieder und legte sie neben sich ab.
Da war sie also, Corrisande Fairchild. Sie atmete nicht, und er erinnerte sich daran, daß sie nicht die Fähigkeit hatte, ohne Hilfe von einem Element in das andere zu wechseln. Ihre Augen waren geschlossen, so wie sie es auch gewesen waren, als Delacroix sie dem kleinen Kammersee übergeben hatte. Doch da hörte die Ähnlichkeit auch schon auf. Während er ihr mit den Fingern den Mund öffnete und ihr Gesicht nach unten drehte, besah er sie sich genauer.
Ein kleines Fischlein hatte er sich gefangen. Ein niedliches Wasserwesen. Ob sie überhaupt noch Luft atmen konnte, war ungewiß. Nereiden konnten es, doch sie war nie eine wirkliche Nereide gewesen, und nun war sie auch kein wirklicher Mensch mehr.
Sie war nackt. Blasses Blut trat aus einigen oberflächlichen Wunden und Kratzern, die er ihr beigebracht hatte, als er sie über die Steine zog. Er legte ihr von hinten seinen Arm um den Körper und setzte seine andere Hand gegen ihren Rücken. Er konnte ihre Lungen vom Wasser befreien. Doch wenn sie in ihrer Transformation schon zu weit fortgeschritten war, würde sie das umbringen. In der Tat war er sich nicht sicher, ob er das nicht bereits gerade tat. Sie gehörte ins Wasser.
Sie sollte gar keinen Körper haben. Ein Konglomerat aus einzelnen Wassertropfen hätte sie sein müssen. Doch sie hatte eine physische Form, einen Körper, ihren eigenen Körper, etwas verändert offensichtlich, und das konnte sie nicht von allein erreicht haben. Iascyn hatte seine Hand im Spiel gehabt. Er hatte das, was er begehrte, ohne Kampf bekommen. Der Fürst des Wassers hatte ihr das Leben erhalten. Damit gehörte sie ihm.
Arpad sollte sie zurück ins Wasser werfen. Dort konnte sie überleben. Hier an der Luft waren ihre Überlebenschancen weitaus schlechter.
Sie wand sich in seinem Griff, zappelte wie ein frisch geangelter Fisch, war geradeso glitschig. Sie ertrank auf dem Trocknen, schnappte nach Wasser zum Atmen. Er mußte nur zurücklaufen und sie wieder in den Strom werfen, dann würde sie leben.
„Was mache ich nur mit dir?“ fragte er. „Du hättest bleiben sollen, wo du hingehörst.“
Eine kleine Hand grabschte nach seiner, und er sah, daß die Finger Schwimmhäute hatten.
Er konzentrierte sich auf ihre Lunge und versetzte ihr einen mentalen Schlag. Wasser ergoß sich in weitem Bogen aus ihrem Mund. Sie würgte, rang nach Atem, versuchte, Wasser einzuatmen, fand nur nutzlose Luft. Ihr Gezappel wurde panisch, und sie schlug um sich, trat mit ihren nackten Füßen nach ihm. Die Zehen waren mit Schwimmhäuten versehen und sahen nicht mehr typisch menschlich aus, waren ungewöhnlich lang, während ihr Rist
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